Kinder müssen wissen, woher der Mut kommt. Wer sonst, wenn nicht sie, soll diese Frage beantworten können. So dachten wir, als wir im Vorfeld unserer diesjährigen Konferenz für Engagement, New Work und systemischen Wandel Kitas baten, mit ihren Kindergruppen unser Motto „Woher kommt der Mut?“ zu bearbeiten. Drei Kitas haben sich schließlich bereit erklärt und erlaubten uns, die Resultate der Auseinandersetzung während der Konferenz auszustellen.
Barbara Djassi hat mit Frau Klauk, einer der Erzieher*innen, darüber gesprochen, wie das bei den Kindern ankam. In ihrer Kita hat sich die älteste Gruppe dem Thema angenommen. Die meisten Kinder waren also sechs Jahre alt.
Die Gruppe, die laut Frau Klauk ein gutes Miteinander pflegt, war zu diesem Zeitpunkt gerade dabei, sich neu zu finden, denn nachdem die Ältesten im Sommer in die Schule gewechselt waren, rückten Kinder aus der jüngeren Gruppe nach.
Barbara Djassi: Wie wurde das Thema in die Gruppe gebracht?
Frau Klauk: Eine Gruppe von 20 Kindern hat daran gearbeitet und das Ganze zog sich über insgesamt fünf Tage hin. Die Erzieher haben das Wort Mut erstmal in den Raum gestellt und gemerkt, dass einige der Kinder sich unter dem Begriff nicht wirklich etwas vorstellen konnten.
Barbara Djassi: Dann war das also eine ganz falsche Annahme von uns, dass Kindern dazu sofort etwas einfallen würde?
Frau Klauk: Absolut. Einige Kinder fragten tatsächlich: “Hä, Mut, was ist das?” Die Erzieher haben dann versucht, den Begriff über Situationen im täglichen Leben zu fassen zu bekommen: “Überleg mal, du weißt bestimmt, wann du mal mutig warst oder wo du dich getraut hast, etwas zu tun, was du noch nicht gemacht hast.”
Dann haben die Erzieher Buchvorlesungen gestartet, und zwar wählten sie die Bücher “Trau dich, Koala Bär” und “Henri, der mutige Angsthase” aus. Sie haben die Bücher den Kindern vorgelesen und dann eine Gesprächsrunde gemacht. Die Erzieher ließen die Kinder wiedergeben, was in den Geschichten passiert. Im nächsten Schritt wurde festgestellt, wer wieso in den Geschichten mutig gewesen ist. Danach konnte herausgestellt werden, was z.B. dem Angsthasen Henry dabei geholfen hatte, mutig zu sein. Diese Denkanstöße waren schon wichtig, um in Situationen Mut wahrzunehmen und daraufhin die Frage, woher dieser Mut kommt, stellen zu können.
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Barbara Djassi: Und dann sind die Kinder kreativ geworden?
Frau Klauk: Ja genau, dann ging es dran aufs Papier bringen, was sie in dem Zusammenhang bewegt und zwar in Gruppen von 3-4 Kindern, die jeweils an einem Bild arbeiteten. Dabei ist immer spannend, wie die Kinder an so eine Aufgabe herangehen. Also, ein Erwachsener würde sich vermutlich hinsetzen und zentral denken: “Okay, jetzt stell ich den Mut mal in den Mittelpunkt.”
Die Kinder gingen da eher vom großen Ganzen aus und haben sich dann Schritt für Schritt immer weiter vorgearbeitet zum Mut. Zum Beispiel haben sie erstmal einen Regenbogen gemalt, der den Mut umgibt wie ein Schutzschirm. Es braucht also wohl Schutz, um mutig zu sein.
Die eine Gruppe hat unter den Regenbogen auch noch eine Höhle gemalt, die den Mut, der sich in der Mitte befindet, mit viel Dunkelheit umgibt. Er ist dort ganz behütet an einem Ort, wo sich keiner hin traut. Die Kinder haben den Mut quasi personifiziert. Er ist zu einem eigenen Ich geworden. Wie gesagt, sie haben mit dem Großen angefangen und sich dann weiter vorgearbeitet zum Kleinen. So würde ich das beschreiben.
Zu den Bildern haben die Kinder auch getextet und gereimt. Sie finden es toll, Wortspiele zu machen. Unsere Erzieherin meinte, sie hätte damit angefangen und dann hätten die Kinder einfach mitgemacht und ihre Worte auf die Bilder projiziert. Hier zum Beispiel: „Die Sonne strahlt mit voller Pracht, gibt den Bären Mut und Kraft.“
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Barbara Djassi: Und wenn die Kinder dann vom großen Ganzen zum gut geschützten Mut in der Höhle gekommen sind, fielen ihnen dann eigene Erfahrungen ein? Sind sie darüber ins Nachdenken gekommen, was das mit ihnen selbst zu tun hat?
Frau Klauk: Auf jeden Fall. Da war z.B. der Mut, jemanden im Spiel anzusprechen, mit dem man vielleicht in der recht neu zusammengesetzten Gruppe noch nicht in Kontakt war und sich beispielsweise zu trauen zu sagen: „Na komm, heut spielen wir mal zusammen.“ Oder aber ein Kind fordert ein anderes auf: „Kannst du mich mal beachten?“ Das wurde in der Gruppe thematisiert.
Aber es ging auch über das Sich-trauen untereinander hinaus. Wir sind eine Bewegungs-Kita und haben ehrenamtliche Mitarbeiter, die einmal in der Woche mit den Kindern Sport machen. Diese Kollegen sind den Kindern zwar schon etwas vertraut, aber noch nicht so wie wir Erzieherinnen. Und das kam in den Gesprächsrunden zur Sprache, dass man auch ihnen gegenüber mutig sein kann, indem man beispielsweise den Sportlehrer anspricht: „Ich habe das jetzt noch nicht verstanden.“ und zu erkennen: „Ich war jetzt mutig und hab ihn etwas gefragt, was ich mich sonst nicht getraut hätte.“
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Barbara Djassi: Was hat das Erzieher*innen-Team mitgenommen von dieser Auseinandersetzung?
Frau Klauk: Wir fanden gut, dass dieser Begriff Mut mal so hervorgehoben wird. Das hat die Erzieher interessiert.
Heutzutage wird Begriffen wie Mut oder auch anderen Werten und Gefühlen nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt. Man hat sie selbstverständlich im Sprachgebrauch.
Sich aber mal ein Wort herauszunehmen und es in den Mittelpunkt zu stellen, das war eine gute Anregung fürs gesamte Team. Die Kinder haben sich auch an dieses Wort gewöhnt und wissen jetzt mehr damit anzufangen.
Barbara Djassi: Vielen Dank für die Einblicke und vor allem den Einsatz. Wir fanden es großartig, die Bilder bei unserer Veranstaltung ausstellen zu können.