In der aktuellen Folge unserer Podcast-Reihe „Wir kriegen die Krise.“ zum Thema Resilienz und Zivilgesellschaft sprechen wir mit Suthan Kethees, Mitbegründer und Vorstandsmitglied von comdu.it, über Führung und Struktur als einen zentralen Resilienzfaktor für zivilgesellschaftliche Organisationen und Netzwerke.
Wir kriegen die Krise #3
Comdu.it ist ein komplett ehrenamtlich getragener Verein der tamilischen Community in Deutschland, der neben der gegenseitigen Unterstützung auch die Entwicklungszusammenarbeit mithilfe dieser Diaspora-Community revolutionieren will. Im Zentrum steht dabei ein Modell der identitätsstiftenden Zusammenarbeit mit NGOs, Unternehmen und anderen Institutionen aus Ländern in Südostasien, um transnationale Gemeinschaften zu schaffen und gemeinsam Nachhaltigkeitsprojekte durchzuführen.
Innerhalb von fünf Jahren ist comdu.it – von sieben Menschen als Verein gegründet – auf über 100 Mitglieder und 70-80 aktiv engagierte Menschen angewachsen. Neben der Schaffung sicherer Räume, um sich mit Diskriminierung auseinanderzusetzen und in Resilienz zu üben, sind schnell weitere Aktivitätsfelder dazugekommen. Die kleine Community wurde also ziemlich schnell ziemlich groß – und damit wuchs auch die Notwendigkeit, sich mit Führungskonzepten und Organisationsstrukturen zu beschäftigen, um handlungsfähig zu bleiben.
Resiliente Konzepte für Führung und Struktur sind in der Zivilgesellschaft ausbaufähig
Aus unserer jüngst erschienenen Studie wissen wir, dass sich unter den Schlagwörtern Führung und Struktur zentrale Resilienzressourcen versammeln. Und wir daraus auch wissen: Diese sind in zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland (noch) nicht umfassend ausgeprägt. Aus unserer Umfrage mit 202 Organisationen ergab sich für das Cluster „Führung und Struktur“ im Mittel die Schulnote 3+ (2,8). Das ist die schlechteste Bewertung im Vergleich der ideellen Resilienzthemen, zu denen wir noch „Sinn und Werte“ (2,3), „Soziale Bindung“ (2,5), „Antizipation und Lernkultur“ (2,7) zählen. Schlechter schneidet nur das Thema „Materielle Ressourcen“ ab, mit einem Durchschnittswert von 3,5.
Unsere Umfrage erfolgte anonym, insofern können wir nicht wissen, ob und wie Suthan comdu.it eingeschätzt hat bzw. hätte. Wir vermuten aber, dass der Verein deutlich besser abgeschnitten hätte – ein Grund, warum wir von Suthan im Podcast auch mehr über die Führungspraktiken und Strukturkonzepte von comdu.it erfahren wollten.
Wie comdu.it Resilienzressourcen mit Leben füllt
Entlang der von uns identifizierten Resilienzressourcen und aus dem Gespräch mit Suthan dazu, was comdu.it bereits tut, um in puncto Führung und Struktur seine organisationale Resilienz zu stärken, ergibt sich folgendes Bild:
Eigenverantwortung: comdu.it spricht hier von „Ownership“ und meint damit, Projekte von Anfang an in die Hände aktiver Mitglieder bzw. lokaler Initiativen zu geben, die in diesem Rahmen Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen und für eine nachhaltige Verankerung der Aktivitäten sorgen.
Adaptive Führung: Der comdu.it-Vorstand setzt stark auf eine gelebte Feedbackkultur, um die Wünsche und Bedürfnisse der comdu.it-Mitglieder jederzeit wahrzunehmen. Sonst wirkt er rahmengebend und lässt den Teams weitgehend freie Hand.
Dezentrale Entscheidungsfindung: Entscheidungen werden bei comdu.it dezentral in (Projekt-)Teams getroffen und in regelmäßigen Austauschformaten kommuniziert und manifestiert. Auch hier muss das Vorstandsteam adaptiv sein, um gegebenenfalls zu unterstützen, wenn es notwendig ist.
Diversität: Suthan beschreibt die tamilische Community in Deutschland als sehr divers, von sehr konservativ bis sehr liberal; entsprechend spiegelt sich diese Bandbreite auch bei comdu.it. Das ist bereichernd für die Arbeit, braucht aber einen Rahmen, in dem Respekt dominiert und Diskussionen konstruktiv und frei von Bewertungen geführt werden können.
Ressourcenverteilung: Hier nutzt comdu.it Tools, um transparent zu machen, welche Ressourcen und Kapazitäten bei den Ehrenamtlichen in einer bestimmten Zeit vorhanden sind und wie diese am besten genutzt werden können. Damit einher geht auch ein Erwartungsmanagement, was zu schaffen ist und was nicht.
Sicherheit: Einen sicheren, vertrauensvollen Raum zu schaffen, in dem die Community-Mitglieder sich offen und verletzlich zeigen können, ist der Rahmen, den comdu.it für all seine Aktivitäten benötigt. Gerade für die tamilischen Community in Deutschland, deren Mitglieder im Alltag von rassistischer Diskriminierung betroffen sind, dient ein solcher Safe Space als wichtiger Ankerpunkt, um die eigene Resilienz zu stärken.
Sich als Organisation selbst zu reflektieren und mit verschiedenen Aspekten von Resilienz auseinanderzusetzen, scheint comdu.it in die DNA eingeschrieben – nicht zuletzt weil die Community-Mitglieder früh dazu gezwungen waren, mit den Diskriminierungserfahrungen in Deutschland individuell und gemeinschaftlich umzugehen.
Wir bedanken uns bei der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, die unser Forschungsvorhaben “Die resiliente Zivilgesellschaft” fördert.
Bei Fragen und Anregungen zum Podcast schreibt uns eine Email an lab@betterplace-lab.org.