DieTürkische Gemeinde in Deutschland e.V.(TGD) ist ein säkularer Dachverband, der sich als Teil der Menschenrechts- und Demokratiebewegung für die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen einsetzt.
Die TGD wurde 1995 gegründet, um sich für die Interessen von türkeistämmigen Menschen in Deutschland einzusetzen. In den letzten Jahren hat die TGD eine multi-ethnische Perspektive eingenommen. Im Fokus stehen die Gestaltung unserer Einwanderungsgesellschaft und das Engagement gegen rassistische und diskriminierende Strukturen jedweder Art.
Freundlicherweise waren Sevinç Kuzuoglu und Alexander Fahim bereit, mit uns ein Gespräch über Herausforderungen und Chancen im Digitalen zu führen.
Die Türkische Gemeinde hat angefangen teilweise auf digital umzusatteln. Was habt ihr neu gedacht, welche neuen Beteiligungsformen sind daraus entsprungen?
Als es zu der Corona-Krise kam, waren wir zum Glück schon ganz gut vorbereitet, was die Möglichkeiten betraf, auch Arbeitsstrukturen aus dem Home-Office zu garantieren. Die größte Herausforderung war und ist es für uns – wie wahrscheinlich für alle anderen auch – neue, spannende Formate für die Menschen zu entwickeln, mit denen wir in vielen gesellschaftspolitischen Projekten zusammenarbeiten. So werden wir beispielsweise unsere jährliche Summer Academy dieses Jahr vollständig ins Digitale verlegen. Ein weiteres Beispiel ist unser Modellprojekt „Muslimisch gelesene Vielfalt im Gespräch“, das sich zum Ziel gesetzt hat, in einem partizipativen und demokratischen Prozess, ein Debatten- und Beteiligungsformat von und für muslimisch gelesene Menschen zu entwickeln. Eigentlich war ein analoges Großgruppen-Event im Oktober geplant. Da dies aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich sein wird, ist unsere Aufgabe nun, geeignete Tools zu entwickeln, wie diese Vorgaben möglichst einfach, persönlich und effizient ins Digitale verlagert werden können. Hierbei wird auch mit der Verbindung von online- und offline Methoden experimentiert. Zudem möchten wir den Teilnehmenden ein attraktives Nutzererlebnis durch „Serious Gamification“ mit grafisch ansprechendem Design anbieten.
Inwiefern sprecht ihr noch die gleichen Zielgruppen an? Hat sich hier etwas verändert?
Grundsätzlich sprechen wir noch immer die gleichen Zielgruppen an – ob wir allerdings alle Menschen auch so gut wie früher erreichen können, ist noch eine offene Frage. Sicherlich wird es einige geben, die sich mit digitalen Formaten nicht so wohl oder gar überfordert fühlen. Aus diesem Grund ist es uns wichtig, unsere digitalen Angebote möglichst einfach, niedrigschwellig und innovativ zu gestalten. Um alle Menschen – egal wie technikaffin – möglichst gut abholen zu können, ist es wichtig, sie mitzunehmen und an die neuen Formate heranzuführen. Hier meinen wir vor allem auch einen guten technischen Support sowie technische Einweisungen bei größeren digitalen Events, die wir veranstalten. Natürlich hoffen wir aber auch, dass wir durch innovative Veranstaltungen im Internet auch neue Zielgruppen für unsere Projekte gewinnen zu können.
Welche Herausforderungen sind euch begegnet und wie habt ihr sie gemeistert?
Eine große Herausforderung ist es, dass nicht alle analogen Formate, einfach so ins Digitale zu übertragen sind. Bei einer Konferenz beispielsweise geht es ja nicht nur um interessante Vorträge, sondern auch darum, alte und neue Gesichter zu sehen, sich auszutauschen, gemeinsam das Gehörte zu diskutieren. Es geht also vor allem auch um eine menschliche Seite, um Vertrauen und schlicht und einfach auch darum, Spaß zu haben.
Vieles davon ist zwar auch in der digitalen Welt möglich, aber das muss anders geplant werden und die Teilnehmenden müssen besonders darauf vorbereitet werden. Mit anderen Worten: es reicht nicht einfach eine digitale Veranstaltung zu organisieren, sondern man muss diese auch mit einer digitalen Kommunikationsstrategie und Öffentlichkeitsarbeit vor- und nachbereiten und begleiten. Daher haben wir viele Gedanken in die Frage investiert, wie eine solche digitale Strategie für uns als Dachverband und ggfs. auch für unsere einzelnen Projekte aussehen kann.
Seht ihr abseits von der Gestaltung von Events Potentiale im Digitalen für eure Gemeinde?
Auch für das alltägliche Verbandsleben sehen wir viel Potentiale für unsere Gemeinde. Das fängt bei Strukturen an, die es erlauben, remote im Team aus dem Home Office zu arbeiten. Darüber hinaus sehen wir in digitalen Formaten auch das Potential, unsere Mitglieder noch besser mit- und untereinander zu vernetzen, Meinungsbilder unkompliziert einzufangen und Diskussionen transparenter und partizipativer zu gestalten. Mit anderen Worten sehen wir mit den aktuellen Entwicklungen einer sich digitalisierenden Arbeitswelt auch wichtige Demokratisierungsprozesse, von denen auch zivilgesellschaftliche Organisationen profitieren können.
Wir begrüßen daher diese Entwicklungen sehr und bemühen uns, die Digitalisierung unserer Verbandsstrukturen im Dialog mit unseren Mitgliedern voranzutreiben, sodass keine/r durch die Neuerungen abgehängt wird, sondern die Teilhabe und das Mitspracherecht möglichst umfänglich gesichert sind.
Könnt ihr euch vorstellen, etwas von der ausschließlichen Arbeit im Digitalen in die Zukunft mitzunehmen und mit analogen Formaten zu kombinieren?
Ja, das wollen wir unbedingt. Wir denken, dass blended Formate auch im Bereich von Konferenzen, Seminaren und Workshops in Zukunft zum Standard gehören werden. Und das ist auch gut so. Denn die Potentiale sind wirklich enorm. Zudem machen wir die Erfahrung, dass diese Formate gut bei den Teilnehmenden ankommen und wirklich Spaß machen.
Vielen Dank für das Gespräch!