Wer hören will, muss fühlen

Dieser Erfahrungsbericht wurde geschrieben von Sofia Casarrubia

Ich erinnere mich an die einführenden Worte im vierten Workshop von Rivka Halbershtadt im betterplace well:being-Programm. Sie fragte in die digitale Zoom-Runde:

“Was bedeutet 'wellbeing' für euch? Und wie spürt ihr es in eurem Körper, wenn es euch nicht gut geht?”

Ich wusste zunächst überhaupt nicht, wie ich diese Fragen besprechen könnte, geschweige denn eine einfache Antwort darauf geben. So hörte ich in mich rein und entschied mich, die Frage erst mal wirken zu lassen und einfach erstmal keine Antwort parat zu haben. Im Laufe des Workshops wurden meine verworrenen Gedankengänge durch Zuhören, den Dialog und Gedankenaustausch zu zweit und in der Gruppe immer klarer.

Vor allem das Gespräch mit einem anderen Teilnehmer in einem Breakout-Raum ist mir prägend in Erinnerung geblieben. Wir hatten von der Workshopleitung die Frage gestellt bekommen, wo wir viel Energie hineingeben und wo wir möglicherweise unnötige Energie verschwenden. Wieder so eine schwierige Frage, dachte ich mir.

Recht schnell kamen mir Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen in den Sinn. Ich erinnerte mich an Gespräche mit nicht-weißen Kolleg*innen und ihren Schilderungen erlebter rassistischer Alltagserfahrungen und ihrem Mehraufwand an Energie, den sie brauchten, um diese oder jene Situation zu verarbeiten. Ich erinnerte mich, wie sich eine Schwarze* Freundin darüber äußerte, dass sie sich immer wieder gut überlegt, mit wem sie überhaupt ins Gespräch und in die Auseinandersetzung geht. Sie habe viele Erfahrungen gemacht, in denen sie sich mit weißen Ablenkungsmanövern, Abwehrhaltungen oder männlichen emotionalen Ausbrüchen auseinander setzen musste und sie das einfach zu viel Energie kosten würde.

Resonanz zu zweit erfahren

Genau darüber sprach ich mit dem Workshopteilnehmer, den ich nie zuvor getroffen hatte. Er begann ebenfalls von seinen Rassismuserfahrungen in der Gesellschaft zu erzählen und wie er sich Gedanken um sein Kind mache. Er wolle es darin bestärken, sich gut zu fühlen und stolz auf sich und sein Aussehen zu sein.

Ich spürte mich trotz Bildschirm und räumlicher Distanz direkt mit ihm verbunden und knüpfte einen weiteren Gedanken aus einem vorherigen Workshop zum Thema „Nein sagen“ an:

“Es ist unheimlich wichtig, in solchen Momenten eine Grenze zu setzen, frühzeitig ‘Nein’ zu sagen und sich aus einer Energie raubenden Situation raus zu begeben. Voraussetzung dafür ist wohl im besten Falle, gut mit sich im Kontakt zu sein und auf die eigenen Körpersignale zu hören.”

So habe ich mir zum Beispiel überlegt, stärker darauf zu achten und ggf. die Beklommenheit zu benennen, wenn sich mir gefühlt mein Brustkorb innerlich wieder zusammenzieht und es mir eng ums Herz wird.

Als Frau finde ich mich oft in Interaktion mit meinem Umfeld, bei Konflikten und Streitgesprächen in einer vermittelnden, moderierenden und deeskalierenden Rolle wieder. Ich verspüre häufig ein großes Harmoniebedürfnis. Sicherlich sind das Verhaltensweisen, die ich meiner weiblichen Sozialisation im Verlaufe meines Lebens zu verdanken habe und die ich mir antrainiert habe. Doch wohin dann mit den Spannungen, die in meinem Körper, vor allem im Nacken und Rücken zurückbleiben und sich ausbreiten? Langsam formte sich die Antwort auf die Eingangsfrage des Workshops, inwiefern ich es spüren könne, wenn es mir nicht gut gehe. Mir hilft es enorm, mich bewusst auf meine Atmung zu konzentrieren und den Gedanken rund um die Spannungen Raum und Zeit zu geben. Denn „Wer hören will, muss fühlen“.


*Schwarz ist die emanzipatorische Selbstbezeichnung von Schwarzen
Menschen. Um den Widerstandscharakter dieses Wortes zu betonen, wird das
„S” großgeschrieben.

Neugierig geworden? In fünf aufeinander aufbauenden Einsteiger*innen-Workshops vermittelt das betterplace well:being-Programm Werkzeuge für einen besseren Selbstkontakt. Teilnehmende trainieren Fähigkeiten wie Selbstreflexion, transparente, gewaltfreie Kommunikation und Empathie. Mehr Infos findet ihr unter diesem Link.


Foto: Victrola Record Players | Unsplash

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Die erste Folge in der Resilienz-Reihe