Was bedeutet Corona für New Work?

“Ich bin gerade sehr unruhig und kann mich nicht richtig konzentrieren”. “Ich fühle mich vor allem erschöpft, manchmal schon direkt nach dem Aufstehen”. “So richtig produktiv war ich bisher nicht”. Dies sind einige Stimmen von Kollegen, mit denen ich heute zur virtuellen Morgenmeditation zusammenkam. Nachdem wir 30 Minuten in Stille gesessen hatten, tauschten wir uns dazu aus, wie es uns gerade im Home Office geht.

Meine Kollegen und ich sind alles routinierte New Worker. Seit Jahren schon haben wir keine festen Arbeitszeiten. Jeder kann sich seinen Arbeitsplatz frei wählen. In Zeiten höchster Mobilität kamen wir zum wöchentlichen Team-Meeting auf Zoom aus 8 verschiedenen Ländern zusammen. Doch die aktuell verordnete Home Office erleben wir zwar teils als Chance (was für ein Digitalisierungsschub wird durch Deutschland gehen! Welche Themen, die bislang in der gesellschaftlichen Lethargie vor sich hin dümpelten, werden wir angehen können! …) aber eben auch als Belastung.

#WorkingFromHome

#Workingfromhome ist trending auf twitter, neben social media Posts befassen sich unzählige Blogs, Zeitungsartikel, Podcasts und Radiobeiträge mit dem Thema. Kein Wunder, denn Arbeiten von Zuhause hat in der Arbeitsnation Deutschland großen Nachholbedarf. In einer Gesellschaft, in der sich viele Menschen maßgeblich über ihren Job definieren, herrscht eine ausgeprägte Präsenzkultur. Viele Chefs, aber auch Arbeitnehmern war die Anwesenheit im Büro wichtig. So wichtig, dass über ⅔ der deutschen Beschäftigten noch nie von Zuhause gearbeitet haben.

Und nun das: von einem Tag auf den anderen wird Arbeit dezentralisiert. Was bislang eher das Privileg einer kleineren Gruppe von Wissensarbeitern und Freelancern war und als wesentlicher Bestandteil der coolen New Work-Bewegung galt, ist seit Ausbruch des Coronavirus Alltag für Millionen.

Viele aktuelle Beiträge beschäftigen sich damit, wie Arbeitgeber die passende Infrastruktur für Heimarbeit bereitstellen können. Oft mangelt es ja schon an einem stabilen Netz, funktionstüchtigen Computern und der passenden Software. Andere Artikel betonen das Potential ortsunabhängiger Arbeit. Studien widerlegen viele Mythen und zeigen, dass Menschen im Homeoffice produktiver und zufriedener sind. Und umweltfreundlicher ist es allemal. Doch diese positiven Aspekte helfen nicht darüber hinweg, dass dezentrales Arbeiten für die meisten Menschen ungewohnt ist und viele verunsichert. Zudem ist es etwas anderes, ob ein Unternehmen Heimarbeit bewußt einführt, oder dies von einem Tag auf den anderen zwangsverordnet wird.

Wie ist das, wenn die Außenwelt plötzlich eine Vollbremsung macht und alle im Home Office landen?

Wir möchten uns mit der aktuellen Situation und ihre Auswirkungen auf unser Arbeitsleben tiefer beschäftigen. Wie fühlt sich die Welt für Dich gerade an? Kleiner, unsicher und unberechenbar? Unbekannt, belebend und aufregend? Bislang kannten wir ungewollte Veränderungen meist aus unserem unmittelbaren Umfeld - wir erfuhren Schicksalsschläge, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Einsamkeit, individuell. Plötzlich jedoch hat sich unsere Außenwelt kollektiv innerhalb von ein paar Tagen stark verändert. Wir alle leben plötzlich in einer anderen Realität. Und diese haben wir uns nicht ausgesucht. Kein Wunder, dass Macron in seinen Ansprachen momentan immer wieder die Kriegsmetapher wählt, denn die letzte massive kollektive Erfahrung für die meisten Europäer sind der 2. Weltkrieg und die Balkan-Kriege in den 1990ern.

Gemeinsam mit Bettina Rollow, meiner Co-Autorin von New Work needs Inner Work, und Somatic Coach Rivka Halbershtadt möchte ich in den nächsten Wochen erforschen, was COVID-19 mit uns macht. Wie erleben wir - wie erlebst Du - Deine aktuelle Arbeitssituation? Wieso genießen manche von euch das selbstbestimmte Arbeiten von zuhause, während andere sich einsam und orientierungslos fühlen? Wie sorgst Du für Dein Well-Being in Deinen veränderten Lebensumständen? Was bewirkt die Zwangsprivatisierung bei denjenigen unter uns, die Unternehmen führen? Wie geht ihr als Gründer, CEOs und Manager mit eurem Kontrollverlust um?Woran könnt ihr die Produktivität der Mitarbeiter messen? Wie könnt ihr verhindern, dass die Belegschaft sich fragmentiert und vereinzelt? Und vor allem - wie können wir alle eine gesunde Balance zwischen berechtigter Sorge und Vorsicht auf der einen Seite und Resilienz und Selbstwirksamkeit auf der anderen gewinnen?

In New Work needs Inner Work beschreiben Bettina Rollow und ich welche individuellen Kompetenzen wir benötigen, um in zunehmend unsicheren äußeren Umgebungen glücklich und effektiv zu arbeiten. Unsere wichtigste Erkenntnis war, dass wir in dem Moment, in dem sich äußere Strukturen und Prozesse verändern, einen psychologischen Wachstumsprozess durchlaufen müssen. Wenn außen alles wackelt, können wir uns nur im Inneren stabilisieren. Noch vor wenigen Wochen hätten wir die drastischen Veränderungen in unserer Außenwelt nicht für möglich gehalten. Aber jetzt, wo sie eingetreten sind und sich die Maßnahmen noch verschärfen und auf unbestimmte Zeit ausweiten können, erscheint es sinnvoll, einen Schnellkurs in “Inner Work” zu durchlaufen.

Bettina, Rivka und ich möchten unseren Beitrag zur Coronakrise leisten, indem wir in den nächsten Wochen eine Reihe von Beiträgen verfassen, die sich mit dieser inneren Dimension der Veränderung beschäftigen.

Gemeinsam mit euch als Lesern möchten wir erforschen, wie wir die aktuelle Krise nutzen können, um einen neuen Bezug zu unserer Arbeit zu gewinnen. Wie können wir der Krise innerlich adäquat begegnen? Welche individuellen Kompetenzen können wir erlernen? Welcher Rituale und Praktiken können Teams entwickeln, um konstruktiv miteinander zu kollaborieren?

CORVID-19 hat uns alle aus unserer Komfortzone geworfen. Lasst uns gemeinsam die Inspirationszone erforschen, statt in der Terrorzone zu landen!

Keks Ackerman, CC BY-NC 2.0
Lernen findet nur in der Inspirationszone und idealerweise in der Wachstumszone statt.

Der erste Beitrag unserer Serie wird sich damit beschäftigen, wie wir unsere Erfahrung und unser Wissenum CORVID-19 produktiv in unser Arbeitsleben integrieren können. Was können wir tun, wenn wir die Krise und Unsicherheit nicht verleugnen wollen, aber auch nicht innerlich vor Angst kollabieren möchten.

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Falls Euch unsere Beiträge gefallen, freuen wir uns über eine kleine Solidaritätsspende auf eines dieser betterplace Projekte:

Corona Soforthilfe für Obdachlose

Save Berlin’s Club Culture in Quarantine

Vielen Dank und passt auf euch auf! Eure Joana, Bettina und Rivka!

Unser Podcast

Die erste Folge in der Resilienz-Reihe