Im Zeitalter der Aufmerksamkeitsökonomie ist Desinformation in aller Munde. Desinformation ist kein neues Phänomen, wird jedoch durch technologische Strukturen und Innovationen versierter, schneller und passgenauer verbreitet. Zudem werden wir uns dank der Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz künftig neben der Flut an Fake Profilen in sozialen Netzwerken mit einer anderen Dimension von synthetischen Inhalten konfrontiert sehen. Ob in Form von Deep Fakes, dekontextualisiertem Bildmaterial oder mit vermeintlichen Quellen gespickte, automatisiert erstellte Texte: Desinformation wird auf absehbare Zeit nicht verschwinden. Wird aus dem Informationszeitalter also das Desinformationszeitalter?
Systemischer Umgang mit Desinformation – Workshops für zivilgesellschaftliche Akteur*innen
Desinformation als Wertschöpfungskette und im gesellschaftlichen Kontext
Wir wollen dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Zunächst gilt es, Desinformation besser zu verstehen. In Form einer Wertschöpfungskette lässt sich Desinformation in ihre Einzelteile zerlegen. Innerhalb von fünf Phasen erstreckt sich Desinformation von der Initiierung über das Produzieren und Platzieren, sowie die Vervielfältigung im digitalen Raum, bis schließlich die Rezipient*in beeinflusst wird (mehr dazu in unserer Studie). Ebenso vielfältig wie die Akteur*innen selbst sind die Strategien, die sie in den jeweiligen Phasen verfolgen. Doch wir wollen den Blick auf jene Ansätze richten, die gegen Desinformation vorgehen und/oder auch proaktiv agieren. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Akteur*innen setzen an unterschiedlichen Punkten der Wertschöpfungskette an: So betreiben einige Debunking, indem sie Desinformation entlarven oder falsche Inhalte richtigstellen. Andere forcieren Prebunking, etwa durch Aufklärung über Desinformations-Akteur*innen oder deren Strategien. Andere wiederum versuchen sich daran, mit Counter-Narrativen der Desinformation etwas entgegenzusetzen.
Um langfristig wirksam zu sein, ist die Bekämpfung von Desinformation ebenso notwendig wie die Arbeit an den Ursachen, die Desinformation erst so erfolgreich machen. Denn Informationsflüsse sind integraler Bestandteil viel größerer, langfristiger gesellschaftlicher Entwicklungen. Desinformation kann somit als Ausdruck und Symptom komplexer Spaltungen und vielschichtiger Machtbeziehungen verstanden werden, die unsere heutige Realität formen. Wenn wir Desinformation tiefer verstehen und wirksame Strategien dagegen entwickeln wollen, müssen wir diese größeren Entwicklungsdynamiken mit einbeziehen – sowohl in die Betrachtung, als auch in unsere Arbeit als zivilgesellschaftliche Akteur*innen.
Nach unserer ersten Programmphase haben wir die Feedbacks der Teilnehmenden ausgewertet und uns entschlossen, die Workshops zukünftig in zwei unterschiedlichen Modellen anzubieten. Modell A richtet sich gezielt an Organisationen, die von Desinformation betroffen sind oder auch solche, die sich spezifisch mit dem Phänomen Desinformation auseinandersetzen. Modell B ist wie gehabt offen für alle. Im Folgenden führen wir das weiter aus:
A Workshop für Organisationen, die von Desinformation betroffen sind oder sich spezifisch mit dem Phänomen auseinandersetzen
Oft fehlt Engagierten die Zeit, sich für mehrere Tage für einen Workshop von der eigentlichen eigenen Arbeit freizumachen. Um darauf eingehen zu können, bieten wir den Workshop in einer neuen Form an. Inhaltlich geht es aber weiterhin um die folgenden Punkte:
Strategien von Desinformations-Akteur*innen
Desinformation als Wertschöpfungskette sowie Überblick zu Ansätzen, die dagegen vorgehen
Blick auf Desinformation als ein Symptom für tieferliegende Ursachen
Herausforderungen für aktivistische/zivilgesellschaftliche Ansätze
Systemischer Wandel als ganzheitlichen Prozess
Innere Kompetenzen sowie Kollaborations-Kompetenzen
Der Workshop ist für einen Zeitrahmen von ca. einem halben bis zu einem ganzen Arbeitstag konzipiert. Je nach Bedarf können einzelne Agendapunkte angepasst werden.
Im Anschluss an diese Workshops wird ein digitales Vernetzungsformat angeboten, welches Teilnehmenden die Möglichkeit gibt, sich mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen zu vernetzen.
Das Angebot passt zu deiner Organisation? Dann setze dich gern in Verbindung mit Yannick: yannick.lebert@betterplace-lab.org
B Offene Workshops entlang der Themenbereiche Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Einwanderungsgesellschaft
Einen systemischen Umgang mit Desinformation loten wir in einer Reihe von Workshops mit Akteur*innen aus verschiedenen und doch verwandten Themenbereichen aus. Wir bringen Akteur*innen zusammen, die:
aktiv gegen Desinformation vorgehen, sich also bereits mit Strategien gegen Desinformation auseinandersetzen und/oder solche Ansätze in der Welt erproben bzw. einsetzen.
in ihrer Arbeit mit Desinformation konfrontiert sind, indem sie etwa mit Zielgruppen kommunizieren, über die Desinformation verbreitet wird.
Hier ein paar Herausforderungen, die wir in den drei Themenbereichen identifiziert haben, zu denen wir Workshops anbieten:
Klimaschutz: Der Carbon Footprint, also die Betrachtung, wie einzelne Menschen zum Klimawandel beitragen, war eine Erfindung der Industrielobby. Weitere (Desinformations-)Kampagnen, um von den Schäden der fossilen Industrie abzulenken, folgten seitdem. Einige Akteur*innen verbreiten gar die Desinformation, dass der Klimawandel nicht menschengemacht sei und erschweren so die Arbeit von lange bestehenden Klimaschutz-Organisationen oder auch aktivistischen Bewegungen.
Soziale Gerechtigkeit: Meritokratie, also die Überzeugung, dass jeder Mensch durch seine eigenen Bemühungen den gebührenden Platz in der Gesellschaft einnehmen kann, ist ein weit verbreitetes Leitbild. Es stellt Wohlhabende als leistungsfähige und -willige Menschen dar und sozial Schwächere als selbstverschuldet in ihrer Position. Dieses Narrativ verkennt einerseits wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema soziale Mobilität und verhindert andererseits einen breiten konstruktiven Diskurs für soziale Gerechtigkeit, den viele zivilgesellschaftliche Akteur*innen anstoßen.
Einwanderungsgesellschaft: Anstatt gebührend anzuerkennen, dass Deutschland eine Einwanderungsgesellschaft ist, nutzen antipluralistische Kräfte Desinformation, um für Ausgrenzung und Abschottung mobil zu machen. Narrative wie Überfremdung und das Heraufbeschwören wirtschaftlicher Bedrohung durch Migrant*innen nähren Ängste in der Bevölkerung und erschweren die Arbeit zivilgesellschaftlicher Akteur*innen, die für eine multikulturelle Gesellschaft arbeiten und die Willkommenskultur stärken.
Was dich im Workshop erwartet
Im offenen Workshops vernetzen wir zivilgesellschaftlich Akteur*innen entlang von drei Themenbereiche miteinander und begleiten sie auf ihrer gemeinsamen Lernreise.
Die Workshops werden durch eine Förderung durch das Programm “Demokratie leben!” ermöglicht und sind für die Teilnehmenden kostenlos (etwaig anfallende Reisekosten können leider nicht erstattet werden). Workshop-Einheiten werden aktuell in zwei Themenbereichen mehrfach angeboten. Jede Person kann nur an einem Workshop teilnehmen und ist damit terminlich an die entsprechenden Workshop-Daten gebunden.
Der Workshop zum Thema Klimaschutz wird an je zwei Terminen in Berlin angeboten, der Workshop zu sozialer Gerechtigkeit findet an zwei aufeinander folgenden Terminen in Berlin statt. Die Termine sind weiter unten aufgeführt. Wenn du schnell zur Anmeldung kommen willst, geht es hier direkt zu Eventbrite.
Teilnehmen können sowohl Menschen aus zivilgesellschaftlichen Organisationen als auch Personen, die sich in einer aktivistischen Form oder in einem losen Verbund mit Desinformation bzw. einem der Themen auseinandersetzen.
Tiefergehendes Vorwissen zu Desinformation ist keine Voraussetzung für die Teilnahme. Gerne können auch mehrere Menschen aus einem Team bzw. einer Gruppe an dem Workshop teilnehmen. Wichtiger ist, dass du..
…mehr über Desinformation lernen willst. Desinformation ist ein kompliziertes Phänomen, welches wir anhand einer Wertschöpfungskette betrachten werden. Und es ist darüber hinaus komplex, weshalb wir uns den größeren Kontext gesellschaftlicher Entwicklungslinien vergegenwärtigen wollen. Durch dieses Zooming-In und Zooming-Out lernst du, aus unterschiedlichen Perspektiven auf Desinformation zu schauen. Wir wollen deine Multiperspektivität stärken!
… Lust hast, deinen Platz im “System Desinformation” zu reflektieren. Ob du in deiner Arbeit bereits explizit gegen Desinformation vorgehst, oder (in-)direkt davon betroffen bist: Die Auseinandersetzung damit, wo im System deine Arbeit andockt und wo du unweigerlich mit dem System verstrickt bist, welches du zu verändern versuchst, ist eine gewinnbringende Übung. Dabei schauen wir uns auch an, welche Muster unser eigenes Denken prägen. Wir wollen mit dir und den anderen Teilnehmenden entdecken, wo wir selbst Teil des Problems sind, um dann noch besser Teil der Lösung zu werden. Wir wollen kritische Selbstreflexion stärken!
…deinen Spielraum erkennen willst und achtsam damit umgehen möchtest. Die Arbeit gegen Desinformation bzw. in den drei Themenbereichen kostet Energie. Wir wollen gemeinsam kritisch betrachten, inwieweit diese Energie wirksam eingesetzt ist und auch, wie du bei deiner Arbeit (besser) auf dein Wohlbefinden achten kannst. Und auch hier schauen wir, wie wir ungesunde gesellschaftliche Muster unbewusst übernommen haben, mit denen wir unser Wohlbefinden individuell wie kollektiv untergraben. Wir wollen Dein Wohlbefinden stärken!
…du Zeit und Commitment für den Workshop mitbringst. Jeder Workshop benötigt den Einsatz von 12 Zeitstunden (inkl. Pausen, exkl. Anfahrt). Wenn du dich für einen Termin anmeldest, wünschen wir uns, dass du alle damit verbundenen Termine (drei respektive zwei Einheiten) wahrnimmst. Wir wünschen uns, dass du bis zum Ende dabei bleibst!
In Kürze veröffentlichen wir neue Workshop-Termine.