Starke und lebendige Zivilgesellschaft: Berlin ist Freiwilligenhauptstadt

Berlin hat sich tatsächlich viel vorgenommen und ich freue mich, dass der Funke in der Stadt schon so stark übergesprungen ist.
Regierender Bürgermeister Michael Müller

Am 18. Februar 2021 feierte Berlin im Roten Rathaus den Auftakt der Europäischen Freiwilligenhauptstadt mit einer digitalen Veranstaltung. Fast schon gewohnt ohne Live-Publikum in der Pandemie-Zeit und doch etwas wehmütig, angesichts der 800.000 engagierten Berlinerinnen und Berliner, die Platz und Grund zum Feiern gehabt hätten, verfolgten rund 500 Interessierte die Veranstaltung zu Hause an ihren Bildschirmen im Live-Stream.

“Woran denken Sie, wenn Sie an den Begriff Freiwilligenarbeit denken?”, fragte Petra Gute, Moderatorin, die durch den Abend der Auftaktveranstaltung führte, das Publikum direkt zu Beginn per Umfrage-Tool Slido. Solidarität, Gemeinschaft, Sport und ehrenamtliches Engagement - so lauteten die klaren Antworten des abstimmenden Publikums, die sich wie einen roten Faden durch die gesamte Veranstaltung zogen.

Auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller verwies in seiner Eröffnungsrede auf die gelebte Solidarität und zitierte dabei den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der seine Grußworte in einer Audio-Botschaft übermittelte: „Herzliche Glückwünsche an alle Berlinerinnen und Berliner zum Gewinn des Titels der Europäischen Freiwilligenhauptstadt 2021. Anders als bei sportlichen Wettkämpfen geht es hier nicht um den Sieg über andere, sondern um die Gemeinschaftsleistung aller. Das Miteinander zählt. Das beweisen die vielen Engagierten, die gerade zusammen in den schweren Monaten der Corona-Krise unsere Gesellschaft zusammenhalten. Sie sind ein Grund, warum wir mit Zuversicht in die Zukunft blicken.“ Müller zeigte sich angesichts der Pandemie, die an den Kräften der Engagierten in der Zivilgesellschaft zehre, besorgt. Denn, so Müller: “Eine starke und lebendige Zivilgesellschaft ist das Fundament für Freiheit und Zusammenhalt einer wehrhaften Demokratie. Deshalb muss die Politik dafür Sorge tragen, dass die sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen zivilgesellschaftlicher Organisationen in der Pandemie abgesichert werden.” Damit griff Müller auf, was das Publikum, ebenfalls per Slido-Umfrage-Tool, auf die Frage: “Wie wichtig ist freiwilliges Engagement für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt”, antwortete. So vertraten 88% der Beteiligten die Meinung, dass es von zentraler Bedeutung ist und mehr in den Fokus rücken sollte.

Weiter betonte Müller: “Wir wollen die Dynamik des Freiwilligenjahres in Berlin nutzen, um das Ehrenamt im Diskurs über die Zukunft Europas noch stärker und präsenter einzubringen. Dazu sind wir bereits im Austausch und werden im Laufe des Jahres gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Organisationen Ideen und Strategien erarbeiten. Berlin hat sich tatsächlich viel vorgenommen und ich freue mich, dass der Funke in der Stadt schon so stark übergesprungen ist.”

Der Rede des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller folgte ein Grußwort von Dubrasvka Šuica, Vize-Präsidentin der EU-Kommission für Demokratie und Demographie. Auch sie verwies in ihrer Rede auf Solidarität: “Es besteht eine Verbindung zu den Werten und Beiträgen, die das Ehrenamt in die Gesellschaft und Wirtschaft einbringt. Werte wie Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit kommen dabei ebenso intensiv vor wie Solidarität.” Dabei ging sie besonders auf viele ältere Menschen ein. Laut Šuica engagierten sich ein Fünftel der 65- bis 74-Jährigen freiwillig. Das Ehrenamt biete viele Chancen und Möglichkeiten, einschließlich des Lernens neuer Fähigkeiten, so die Vize-Präsidentin weiter.

Per Video-Botschaften schickten sechs Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ehemaliger europäischer Freiwilligenhauptstädte (London, Madrid, Košice, Strovolos, Padua) sowie die für 2022 nominierte Freiwilligenhauptstadt Danzig kurze Grußworte und überbrachten Berlin ihre Glückwünsche für den an Berlin gehenden Titel der europäischen Freiwilligenhauptstadt und das Aktionsjahr 2021. Lejla Relić, Präsidentin des Brüsseler Centre for European Volunteering (CEV) schloss ihre Grußworte daran an: “In der Welt, in der wir leben, ist es wichtig, Freiwilligenarbeit mit Werten zu verbinden, die zu Solidarität, Inklusion und gemeinschaftliche Resilienz beitragen, indem sie zu bürgerschaftlichen Engagement ermuntern, ganz im Geiste des Programms Europe for Citizens, von dem dieser Wettbewerb unterstützt wird.”

Was Engagement bedeutet und was es in diesen Zeiten braucht, war Thema der anschließenden Panel-Diskussion. Auf der großen Bühne des Roten Rathauses saßen, unter Beachtung der geltenden Abstandsregeln, die geladene Gäste Sawsan Chebli, Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in der Berliner Senatskanzlei, Katharina Foerster, Leiterin des Projektbüros der Freiwilligenhauptstadt, Katja Jäger, Forscherin im Projektbüro und live zugeschaltet Arne Friedrich, Sportdirektor von Herta BSC und Gründer der Arne-Friedrich-Stiftung, die u.a. Chancengleichheit von Kindern unterschiedlicher Herkunft und aus sozial-, finanziell- und bildungsbenachteiligten Familien unterstützt.

Chebli erinnerte daran, dass der Titel der Freiwilligenstadt ein Titel sei, “den ganz viele Menschen, die sich hier engagieren, gewonnen haben.” Es gehe nun darum, das Jahr mit Leben zu füllen und noch mehr Menschen zu motivieren, sich zu engagieren und mit anzupacken. “Wir als Politik können die Rahmenbedingungen verbessern, können Barrieren abschaffen und wir tun auch eine Menge als Berliner Senat”, so Chebli und nannte das vom Berliner Senat gestartete Soforthilfe-Programm, das Organisationen, die im Ehrenamt tätig sind und deren Ressourcen weggefallen sind, Unterstützung zukommen lässt, damit sie weiter operieren und sich engagieren können. “Wir sehen ja auch, wie die Gesellschaft unter Druck gesetzt wird, von rechts, vor allem in der Pandemie und gerade jetzt lohnt es sich, seine Stimme zu erheben und etwas für die Demokratie zu tun”, sagte Chebli.

Ergänzend zu den Ausführungen der Projektleiterin Katharina Foerster, die einen Überblick über die geplanten Aktivitäten des Jahres gab, die klar unter dem Motto “bestehendes Engagement unterstützen und ausweiten” stehen, rückte Katja Jäger, auch vom Projektbüro der Freiwilligenhauptstadt, den Fokus aufs digitale Ehrenamt: “Die digitale Transformation stellt auch Engagement vor Herausforderungen. Gerade in der Krise wird nochmal deutlicher, wie wichtig diese Fragen sind: Wie kann ich meine Vereinsarbeit digitalisieren? Wie kann ich auch mit meinen Engagierten jetzt in Kontakt bleiben? Das sind vor allem Fragen auf organisatorischer Ebene, aber der Wandel, den wir sehen, greift dann auch viel tiefer. Es geht dann auch darum zu schauen, welche neuen Engagementformen entstehen denn?” Die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen geben Anlass, den Blick stärker auf Engagement in einer digitalen Welt zu richten, dabei aber den Menschen wieder mehr ins Zentrum zu rücken. Es sei wichtig, so Katja Jäger, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und zu schauen, wie wir wieder ins Miteinander kommen. “Wir wollen mit den Engagierten und mit ihnen diskutieren und verstehen, wie wir die Zukunft besser machen können”, resümierte Katja Jäger das bevorstehende Aktionsjahr der Freiwilligenhauptstadt.

Direkt im Anschluss bot sich dem Publikum die Möglichkeit, in vier verschiedenen digitalen Diskussionsforen, sogenannten Breakout-Rooms, zu den Themen: Europa, Diversität, Digitalisierung und Innovation miteinander ins Gespräch zu kommen und sich untereinander auszutauschen.

Die Auftaktveranstaltung endete mit einem großen Show Act des Kinder- und Mitmachzirkus’ CABUWAZI, der seit fast 30 Jahren Zehntausenden von Kindern an verschiedenen Standpunkten mehr Selbstbewusstsein, mehr Geschicklichkeit, ein Gefühl des Miteinanders, Freude und Spaß vermittelt. Nach einer kurzen Einleitung der CABUWAZI-Geschäftsführerin Anne Kirschneck, hieß es “Manege frei” für Zirkuskind Lotti, die europäischen Freiwilligen, die Künstlerinnen und Künstler (Aaron Atilla, Lisa Cusin, Oma Mahmoud Eltawiel, Martina Luchetti, Lena Wulf, Michaela Hell) des Zirkus’, die einen Gruß an alle Freiwilligen in die Welt sendeten und dem Publikum in akrobatischen Einlagen an Ringen und im Hulahoop-Reifen zeigten, was es heißt, artistische Fähigkeiten zu erlernen, Neues zu wagen und eigene Grenzen zu überwinden.

Dieser Artikel ist im Original auf der Webseite des EVC Berlin erschienen.

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