Coworking & Gesundheit: Notizen von dem Workshop mit Anthea Backfisch

Ich bin neugierig: Wer von euch hat eine ergonomische Arbeitsumgebung zu Hause?

💬 Moi :)

💬 Definitiv das Gegenteil davon 😅

💬 Noch nicht perfekt, aber schon ziemlich gut.

💬 Zu 70%

💬 Leider nein

💬 Nein, aber hoffentlich bald.

💬 Also, ich hab mir ordentliches Licht und einen Beckenbodenball besorgt. Das war es dann aber auch 🙂
💬
Im HO katastrophale Situation, was Sitzgelegenheiten angeht.

💬 Zuhause geht so, da ich meistens im Coworking Space bin :) (Dort mit insgesamt 4 Bildschirmen ;)).

Eine deutliche Mehrheit der Teilnehmer*innen, die sich im Workshop Homeoffice/Coworking & Gesundheit am 9.12. auf die spontane Frage im Chat äußerten, gibt an zu Hause nicht so gut ausgestattet zu sein, dass langfristig im Homeoffice zu arbeiten gesund für ihren Körper wäre.

Unser Gast Anthea Backfisch, Expertin für Gesundheitsförderung, bringt Ergebnisse ihrer Untersuchungen mit, die sie zum Thema Homeoffice/Coworking & Gesundheit angestellt hat. Sie hat 14 Soloselbständige aus 6 Coworking Spaces zu ihrer Arbeit im Homeoffice und im Coworking Space in qualitativen Interviews befragt. Die Wahl traf deshalb auf Soloselbständige, weil sie zu der am stärksten vertretene Gruppe in Coworking Spaces gehören. Lange Zeit tauchte diese Gruppe wenig auf in statistischen Erhebungen zu Arbeitssituation und Gesundheit. Da ihr Anteil in der arbeitenden Bevölkerung jedoch stetig zunimmt, geraten sie inzwischen stärker in den Fokus. Außerdem gewöhnen sich seit Beginn der Pandemie auch Büroangestellte vermehrt an das Arbeiten von zu Hause. Die Gruppe derer, die sich in Arbeitsumgebungen abseits von Firmenbüros an Schreibtische setzen, wächst also. Damit steigt der Druck, sich mit den gesundheitlichen Risiken und auch Potentialen des Arbeitens in veränderten Arbeitsumgebungen auseinanderzusetzen.

Flexible Arbeitsumgebungen: Autonomie vs. Verantwortung

Laut Anthea Backfisch sind Soloselbständige zwar weniger gestresst als Angestellte, weil sie sich ihre Arbeitszeiten selbst aussuchen können. Sie arbeiten aber latent zu viel und machen zu wenige Pausen. Das gilt in Coworking Space ebenso wie im Homeoffice, denn oft ist es nicht mehr als der Standort des Schreibtisches, der sich ändert.

“Das gute Arbeiten in Coworking Space steht und fällt mit der Officemanager:in.”, merkt einer der Workshop-Teilnehmenden an. Was in einem Büro mit Angestellten geht, läßt sich sicher nicht 1:1 auf einen Coworking Space übertragen. Aber auch zusammengewürfelten Soloselbständigen kann ein gutes Office-Management dazu verhelfen, Pausen zu machen, gesundheitsfördernde Angebote wahrzunehmen und ein erfüllendes Miteinander zu pflegen.

Das bestätigen andere Workshop-Teilnehmer*innen und anwesende Coworking Space-Betreiber*innen erzählen von organisierten Spaziergängen, Meditationsangeboten, Yoga und ihren Versuchen, ein spannendes Community-Leben entstehen zu lassen. Nicht immer ist genau das leicht. Man möchte meinen, in einem großen Raum, wo viele Leute zusammenkommen, herrsche ein reger Austausch. Aber das ist mitnichten die Regel. Oft sitzen da Einzelkämpfer*innen oder kleine Teams, die in ihrer Arbeit so versinken, dass sie ihre Umgebung zwar als angenehm belebt empfinden, jedoch weniger einen echten Kontakt suchen. Ein Interviewpartner von Anthea Backfisch bezeichnete die Gemeinschaft gar als Fake-Community. Eva, die Geschäftsführerin des bUm in Berlin berichtet, die Angebote würden nicht unbedingt angenommen. Auch wenn Vereinzelung unbestritten ein wesentlich größeres Thema für im Homeoffice Arbeitende ist, spielt es in Coworking Spaces also ebenso eine Rolle.

Ein großer Vorteil von Coworking Spaces ist, dass sie in der Regel mit ergonomischen Arbeitsplätzen ausgestattet sind. Soloselbständige haben zu Hause oft gar kein Arbeitszimmer, arbeiten am Küchentisch oder auf dem Sofa. Als weiteres Plus des großen Büros empfinden viele, dass es leichter ist, eine Grenze zwischen Arbeit und Privatleben zu ziehen und eine hilfreiche Struktur zu finden. Dadurch erhöht sich nachweislich die Arbeitsleistung.

Was ist ratsam, um ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das gut für Seele und Körper ist?

  • Soziale Kontakte sinnvoll zu gestalten, ist meist kein Selbstläufer – oft braucht es Anlässe, damit Einzelkämpfer*innen und kleine Teams sich die Zeit nehmen/sich trauen, mit den anderen in Kontakt zu kommen
  • Es muss thematisiert werden, wie mit Belastungen durch “Bürolärm” (Handyklingeln, Telefonate, etc.) umgegangen wird. Es ist zwingend notwendig Coworking-Spaces so zu gestalten, dass Ruhezonen ebenso verfügbar sind, wie Räume für Calls und eine lebendige Kommunikation untereinander.
  • Ergonomische Arbeitsplätze sind ein Muss.
  • Zu wenig Bewegung macht krank: Angebote, die die Arbeitenden zu Bewegung veranlassen, sollten auf dem Zettel von Coworking Space Anbietern stehen, z.B. Entspannungstechniken, Meditation.
  • Nicht jeder/m fällt es leicht, den Arbeitstag gut zu strukturieren. Ein sinnvolles Angebot in Coworking Spaces sind Workshops zum Thema Selbstführungskompetenzen.
  • Alle sollen sich maximal wohl fühlen. Eine Küche und Barrierefreiheit für Leute, die eine spezielle Ernährungsweise haben, sind vielen Mieter*innen genauso wichtig wie guter Kaffee ☕
  • Gesundheits Checks helfen herauszufinden, ob und welche Angebote Coworkerinnen brauchen
  • Wenn man neue Angebote testet, dann kann man das sehr gut als Challenge verpacken, die am besten 21 Tage lang läuft, denn nach dieser Zeitspanne bilden sich Gewohnheiten
  • Alle Angebote sollten so niedrigschwellig wie möglich sein.
  • Und wichtig: es sind nur Angebote gemeint, denn für viele liegt ja gerade das Potential in einem selbstbestimmten Arbeitsalltag.

Unser Gast Anthea Backfisch ist Expertin für Gesundheitsförderung (Master Public Health, Charité Berlin) und Trainerin für Progressive Muskelrelaxation (nach Jacobsen). Sie berät zu Themen rund um Arbeit und Gesundheit. Das Hauptaugenmerk legt sie auf die Verhältnis- und Verhaltensebene. Mit Health up unterstützt und begleitet sie Coworking Spaces, Selbstständige und Interessierte auf dem Weg zu einer gesunden Arbeitsumgebung. In einer ganzheitlichen Betrachtung aus den Verhältnissen der Arbeitsumgebung und dem Verhalten der Klient:innen konzipiert Health up passgenaue und individuelle Konzepte, um die Arbeit gesund zu gestalten.

Dieser Workshop ist Teil des betterplace co:lab-Programm und nimmt darüber hinaus Bezug zu den Erfahrungen des betterplace well:being-Programms, in dem Anthea Backfisch die wissenschaftliche Begleitforschung verantwortet.

Das betterplace co:lab-Programm ist ein Projekt des betterplace lab und wird gefördert durch Luminate und die Schöpflin Stiftung.

Das Programm betterplace well:being ist ein Projekt des betterplace lab und wird unterstützt durch die BKK∙VBU, pronova BKK und Salus BKK.

Unser Podcast

Die erste Folge in der Resilienz-Reihe