Die Inspiration zu diesem Essay stammt aus Diskussionen mit den Mitarbeitenden des betterplace lab rund um die zukünftige Rolle der Zivilgesellschaft. Das betterplace lab prägte den Begriff der „Growing Spaces“ als Leitfigur der eigenen Arbeit. Dieser machte für mich intuitiv Sinn und ich entwickelte ihn in Gesprächen, vor allem mit Lukas Harlan, weiter.
Growing Spaces: Eine Agenda für mehr Gestaltungs- und Handlungsspielraum
Wir leben in einer Welt der schrumpfenden Räume
Growing Spaces beschreibt eine Intention und Agenda , die sich dafür einsetzt, dass die Gestaltungs- und Handlungsspielräume für Einteilung, Gruppen und die Welt als Ganzes größer werden. Der Begriff wurde vom betterplace lab als Antwort auf die Krisenspirale geprägt, in der wir uns aktuell wiederfinden. In diesem Blogpost werde ich ihn vorstellen und eine erste Landkarte entwerfen: Was verstehen wir unter Growing Spaces und welche verschiedenen Arten von Wachstum (Growth) streben wir an?
Der Begriff setzt sich ab von „schrumpfenden Räumen“ , einer weltweiten Tendenz, die sich in der zunehmenden individuellen Vereinzelung und Überforderung zeigt, in der gesellschaftlichen Fragmentierung, der diskursiven Polarisierung, demokratiefeindlichen Bestrebungen und autoritären Regimen sowie der existentielle Bedrohung des gesamten planetarischen Wohlergehens durch eine ungezügelte Ausbeutung von Ressourcen.
Shrinking Spaces konfrontieren uns allerorts mit alten und neuen Grenzen. Als Individuen stoßen wir sowohl in der Außenwelt als auch in unserem subjektiven Erleben an Grenzen. Viele spüren einen inneren Druck, der teilweise ins Unerträgliche, in existenzielle Not wächst. Menschen sind erschöpft, kurz vor oder mitten im Burnout. Wir sind getriggert – halten die Spannung, die entsteht, wenn wir Menschen mit anderen Weltanschauungen treffen, immer schwerer aus. Wir wehren uns, indem wir uns mit einer Reihe beliebter Mechanismen schützen, die jedoch ihrerseits zur weiteren Polarisierung und Fragmentierung beitragen: Wir überheben uns, wir bestrafen, wir reduzieren unsere Gegenüber auf eine Facette ihrer Identität und ziehen uns tendenziell immer weiter in unsere Blase zurück . Angst vor Veränderung und Kontrollverlust lähmt und lässt uns auf frühere, sichere Entwicklungsstufen zurückgehen.
Auch Organisationen schrumpfen. Viele, die in den letzten Jahren enthusiastisch neue, flache Führungsstrukturen eingeführt und auf Selbstführung, Kollaboration und Co-Kreation gesetzt haben, drehen das Ruder wieder um. Beordern Mitarbeitende aus dem Home Office zurück in die Büros, verfestigen Hierarchien und Kontrollinstanzen. Auf der Seite der Mitarbeitenden führt dies zu Unzufriedenheit, Konflikten oder Rückzug.
Diese Muster spiegeln sich im größeren gesellschaftlichen Raum: Wir sind festgefahren und schaffen es nicht, relevante, dringend notwendige Veränderungen zu besprechbar zu machen und zu schließen. Neue Positionen und Ansätze führen bei großen Bevölkerungsgruppen zur Gegenwehr und Verteidigung der eigenen Pfründe. Angesichts überwältigender Komplexität greifen immer mehr Machthaber, aber auch Wählerinnen und Wähler auf vereinfachende Positionen und politische Strukturen eines libertären Autoritarismus zurück. Gerade für zivilgesellschaftliche Akteure, die vielfältig und kleinteilig sind und damit schwer kontrollierbar sind, werden die öffentlichen Räume und Ressourcen immer eingeschränkter. Dasselbe gilt für die Meinungsfreiheit, die im Zusammenhang mit digitalen Medien ein gesellschaftlich breit ausgehandeltes Update bekommen müsste. Ohne dieses versinken wir in polarisierten Silos und können uns immer weniger auf eine Realität einigen.
Die Zivilgesellschaft spielt in diesen drei Bereichen – Individuum, Organisation und Gesellschaft – eine besondere Rolle. Sie verkörpert mit ihrer Vielfalt, ihrem breiten Beteiligungsangebot und ihrem Gestaltungswillen die Vision einer wachsenden Welt. Sie ist ein Erfahrungs-, Experimentier- und Möglichkeitsraum mit vielfältigen Auswirkungen auf die Gesamtgesellschaft. Damit stellt sie auch eine Bedrohung für regressive Mächte dar und ist dementsprechend besonders von Shrinking Spaces betroffen. Dies sehen wir anhand der vielen Maßnahmen weltweit, die insbesondere innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte versuchen, ihre Aktivitäten teilweise massiv einzuschränken; durch drohende Gesetze, Kürzungen von Ressourcen, psychischen und physischen Einschüchterungsversuchen bis hin zu Gefangenschaft, Folter und Mord.
Entwicklung ist Entfaltung und braucht Raum
Wenn wir für die Welt, so wie sie heute ist – vernetzter und komplexer als je zuvor – adäquate Antworten finden wollen, dürfen wir nicht schrumpfen, sondern wachsen und uns entwickeln. In meinem Verständnis ist die Entwicklung kein mechanischer Prozess, für den wir einer bestehenden Struktur ein paar neue Elemente hinzufügen. Sie ist ein organischer Entfaltungsprozess . Ich gehe davon aus, dass Neues aus Bestehendem hervorgeht, also emergiert. Das heißt, neue Entwicklungen sind als Potenzial in Individuen, Organisationen und großen Organismen wie Gesellschaften vorhanden und werden durch uns als handelnde Akteure in Form von konkreten Strukturen und Prozessen und ideellen Haltungen und Werten manifestiert. Diesen Prozess kennen wir aus der Biologie, wo eine Eichel alle Informationen des späteren Baumes in sich birgt, oder ein Embryo seine Organe nicht einzeln entwickelt, sondern diese sich aus dem Ganzen entfalten.
Finden Sie Entwicklungsprozesse in einer Umgebung statt, die materiell oder bewusstseinsmäßig zu klein ist, verformen sie sich und bilden Pathologien.
Gesunde Wandlungs-, Wachstums- und Entwicklungsprozesse brauchen Raum , im wörtlichen und metaphorischen, inneren und äußeren Sinn. Es kann sich dabei um konkrete, physische Räume handeln, ebenso wie um zeitliche Rhythmen. Es kann um Begegnungsräume zwischen verschiedenen Menschen gehen, die auf eine spezielle Art miteinander interagieren. Es geht um Experimentierräume, in denen Menschen neue Ansätze, mögliche Zukünfte austesten können. In seinem grundlegendsten Sinn geht es jedoch um Bewusstseinsräume, darum, wie viel und wie viel unterschiedliche Information – dh Impulse, die wir als Menschen – in der Wahrnehmung von Menschen auftauchen können.
Für die unterschiedlichen Qualitäten und Dimensionen dieser Bewusstseinsräume haben wir bisher nur sehr unzureichende Beschreibungen. Jeder von uns weiß es zwar, wenn es „innerlich eng“ wird, weil wir unter Stress geraten oder Angst haben. Dann werden wir von einer Erfahrung ganz ausgefüllt. In größeren Bewusstseinsräumen, die entstehen, wenn wir entspannter sind oder wenn wir gelernt haben, subtile Bewegungen in uns und der Außenwelt wahrzunehmen, können viel mehr unterschiedliche Informationen beheimatet werden. Dann können wir Widersprüche, Spannungen und Ambiguitäten besser halten, ohne dabei die innere Orientierung zu verlieren. Dann erweitert sich unsere Welt von „entweder/oder“ zu „sowohl als auch“ und wir können uns von gleichzeitig auftauchenden Wahrnehmungen, die für Komplexität typisch sind, informieren lassen.
Entfaltung geht einher mit mehr Vielfalt , mehr Bezug zur Realität, mehr Perspektiven, mehr Lösungsoptionen. Weisheitslehrer sowie Komplexitätsforscherinnen sprechen davon, dass im richtigen Raum eine komplexe, überwältigende Welt wieder eine einfache, handhabbare Welt wird: „Einfachheit ist Komplexität in einem breiteren Becher.“ Growing Spaces basiert auf diesen vielfältigen Arten von Wachstum und Transformation. Damit bestärkt es einen Wachstumsbegriff, der sich explizit von der Fiktion eines unendlichen Wirtschaftswachstums abgrenzt. Dieser Wachstumsbegriff setzt auf immaterielles und natürliches Wachstum, welches die Grenzen planetarischer Ressourcen respektiert. Ein Wachstum, das uns dabei innerlich ermöglicht, mit mehr von dem umzugehen, was ist, indem wir es in uns abbilden können.
Wie schaffen wir Growing Spaces, wachsende Räume?
Wachstum, so wie wir es heute am meisten verstehen, bedeutet „mehr vom Gleichen“. Mehr Konsum, mehr Energie, mehr Macht. Aber Wachstum muss nicht quantitativ sein. Wir können sowohl quantitativ als auch qualitativ denken. Wir können innere (subjektive) und äußere (objektive) Aspekte betrachten. Wir können uns auf eine multidimensionale Landkarte des Seins und Werdens, des Erfahrens und Gestaltens beziehen. Einige dieser Dimensionen möchten wir hier skizzieren und damit die Basis für eine umfangreiche Erforschung anbieten.
Im Folgenden stelle ich zwölf verschiedene Dimensionen von Wachstum vor. Diese sind nicht linear zu verstehen und bauen nicht unweigerlich aufeinander auf. Manche dieser Perspektiven stehen für sich, andere überlappen sich. Einige sind wahrscheinlich einfach zu verstehen, da sie innerhalb unseres traditionellen Weltbilds angesiedelt sind. Andere erfordern einen Sprung ins Unbekannte, da sie psychologische und transrationale Dimensionen mit einbeziehen, die beispielsweise in der Traumaforschung und den Weisheitstraditionen verwendet werden.
Das Vier-Quadranten-Modell
Für die Kategorisierung von Growing Spaces eignet sich das Vier-Quadranten-Modell, ursprünglich entwickelt vom amerikanischen Philosophen und transpersonalen Psychologen Ken Wilber. Dies bildet die Realität in vier verschiedenen Dimensionen ab: individuelle und kollektive, sowie innere und äußere. In jedem dieser Bereiche können wir wachsen und das Konzept der Growing Spaces verfolgen.
Fangen wir mit der Dimension an, die am einfachsten zugänglich ist, da sie für uns die „normalste“ und geläufigste ist: die äußere kollektive Dimension der Strukturen und Prozesse.
Wachstum im kollektiven Außen
1. Kollaboration und Co-Kreation fördern
Growing Spaces kann darin bestehen, die meist kleinen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in einem Themenfeld arbeiten und/oder eine ähnliche Zielsetzung haben, miteinander zu verbinden und wirksame Kollaborationen zwischen ihnen zu unterstützen. Dabei geht es nicht um eine „Skalierung“ im herkömmlichen Sinn, da dies oft bedeutet, dass einzelne Akteure ihre Identitäten zugunsten eines Standardmodells aufgeben. In einem gelungenen Kollaborationsprozess lassen sich die einzelnen Teilnehmenden so aufeinander ein, dass sie mehr und bessere Beziehungen untereinander eingehen und sich mit ihren jeweiligen Perspektiven und Kapazitäten zu einem größeren Ganzen verbinden. Dadurch wachsen sowohl ihre Einzigartigkeit als auch ihre Gemeinsamkeit.
Zivilgesellschaftliche Praxisbeispiele:
2. Mehr Beteiligung ermöglichen
Jenseits der einzelnen Organisationen kann es bei Growing Spaces darum gehen, neue Wege des Engagements zu entwickeln, die mehr Menschen mit einbeziehen. Hier geht es darum, Menschen, die sich potenziell für ein Thema wie Klimawandel oder Obdachlosigkeit einsetzen wollen, die Hemmschwellen zu ergreifen. Die Maßnahmen können von neuen Anspracheformen über Formen der Anerkennung bis hin zu wirksamen digitalen Beteiligungsformaten gehen.
Zivilgesellschaftliche Praxisbeispiele:
3. Neue Aktionsfelder für zivilgesellschaftliche Werte erschließen
Momentan entstehen viele neue Strukturen und Prozesse, etwa im Bereich der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz, ohne eine Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure. Dazu gehören Regulierungen wie beispielsweise der europäische Digital Service Act. In diesen neuen Feldern können zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Werte – wie Freiwilligkeit, Vielfalt, Beziehungsfähigkeit, Multiperspektivität – systematisch einbringen.
Praxisbeispiele:
Dazu aus dem betterplace lab:
4. Finanzierung und andere materielle Ressourcen für Zivilgesellschaft vergrößern
Wir erleben einen Strukturwandel im Bereich Finanzierung sozialer Innovationen und zivilgesellschaftlichen Engagements, infolgedessen vormals bedeutende Stiftungen wie die Open Society Foundations oder Luminate sich hauptsächlich aus Europa zurückziehen, Privatspenden (insbesondere von wohlhabenden Menschen) einbrechen und immer Weniger Mittel öffentlich zur Verfügung stehen. Dies schränkt die ohnehin schon fragile finanzielle Basis vieler Organisationen ein. Um in diesem Bereich Wachstum zu ermöglichen, braucht es sowohl Veränderung von Seiten der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die ihr Angebot auf Wirksamkeit und Finanzierungsmodell überprüfen müssen, als auch auf Seiten der Förderer. Growing Spaces bedeutet, diese Veränderungen zu begleiten, zB durch Donor Education und Capacity Building.
Zivilgesellschaftliche Praxisbeispiele:
- The Wellbeing Project
- Philanthropische Beraterin für Reiche wie Iris Brilliant
Dazu aus dem betterplace lab:
Die nächsten Facetten von Growing Spaces beziehen sich auf die anderen drei Quadranten, insbesondere die beiden inneren (individuell und kollektiv). Hier geht es darum, neue Perspektiven auf die Wirklichkeit zu schaffen und auf dieser erweiterten Informationsbasis neue Möglichkeiten zu entwickeln. Denn wir gehen davon aus, dass wir auf der Basis unseres bisherigen Weltverständnisses keine nachhaltigen, wirksamen Veränderungen hervorbringen können. Stattdessen reproduzieren auch vermeintliche „Innovationen“ die gegenwärtigen pathologischen Muster. Da wir uns mitten in einem Paradigmenwechsel befinden – zwischen dem industriell-nationalstaatlichen hin zu einem digital-globalen Paradigma – benötigen wir jedoch neue Herangehensweisen und Antworten, die die Grenzen des alten Paradigmas überwinden.
„Bei einem Sprung ins neue Paradigma geht es nicht darum, einzelne Aspekte des alten Systems zu verbessern, sondern wirklich etwas Neues zu gestalten. Das können wir nur – so die Hypothese – indem wir unsere Beziehung zur Wirklichkeit an sich verändern und mehr Realität einbeziehen.“
Wie viele Transformationsforschende gehe auch ich davon aus, dass die gegenwärtigen Krisen das Ergebnis einer verzerrten Beziehung zwischen Mensch und Welt sind und wir genau an dieser Stelle ansetzen müssen. Jeder Mensch hat eine selektive Wahrnehmung und blendet unendlich viel Realität aus. Doch je mehr Informationen, Perspektiven, Lebensrealitäten wir individuell und als Kollektiv ausblenden, desto enger sind unsere Grenzen und desto mehr erscheint die Welt von uns getrennt.
Ich gehe davon aus, dass Krisen ein Zeichen dafür sind, welche Bereiche und Wahrnehmungen von der Realität wir ignorieren und ausschließen. Denn die Wirklichkeit ist ganz und alle Teile wollen gesehen und einbezogen werden, sonst zeigen sie sich in Pathologien, Konflikten und Krisen. Hier magst Du einwenden, dass es unmöglich ist, „alles“ zu berücksichtigen, und das stimmt. Es geht auch darum, mehr Perspektiven, mehr Dynamiken, mehr Realität als Gegenwart mitzubekommen und tiefer zu verstehen, wieso die übersehenen Aspekte bisher ausgeblendet wurden, zB weil Wahrnehmung von Machtstrukturen durchdrungen ist.
Die im Folgenden skizzierten Growing Spaces beschäftigen sich dementsprechend mit möglichen Updates in der Beziehung zwischen Menschen und Wirklichkeit. Den Raum, den ich mit diesen weiteren Dimensionen erforschen will, gleicht einer Ziehharmonika: Stell Dir vor, dass das, was wir für die Realität halten, wie eine zusammengezogene Ziehharmonika ist. Indem wir sie auseinanderziehen, vergrößert sich die Fläche und neue Dimensionen kommen zum Vorschein. Was folgt, sind verschiedene Ansätze, um Sichtweisen auf die Realität aufzufächern und sie so zu erweitern.
Wachstum im inneren Kollektiven
5. Include more – sich mehr auf das beziehen, was ist
Eine Möglichkeit, mehr Realität wahrzunehmen, ist es, sich dem zuzuwenden, was wir in unserer „normalen“ Weltsicht ausschließen.
Als Einteilung haben wir häufig gelernt, viele unserer verletzlichen, zarten Anteile zu unterdrücken. Doch wenn wir diese nicht kennen und wertschätzen, suchen sie uns als Depression, Wut oder Sinnlosigkeit heim.
Auf der gesellschaftlichen Ebene haben „wir“ (und dieses „wir“ bezieht sich auf privilegierte Menschen wie mich) große Teile der Gesellschaft ausgegrenzt – eigentlich alle, die nicht in dem weißen, leistungsorientierten, männlichen Mittelklasse-Ideal entsprechen. Zu den Ausgeschlossenen gehören: People of Color, Frauen, Menschen aus sozioökonomisch schwächeren Strukturen, mit niedrigeren formalen Bildungsniveaus oder solchen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen. Sie zahlen den Preis in Form von Armut und Leid, Verzweiflung und Scham. Aber auch den Privilegierten schadet die Ausgrenzung, wenn auch in ungleich geringerem Maße. Sie spüren (meist unbewusst) die Gefühllosigkeit und emotionale Leere, die damit einhergeht, wenn man anderen Menschen (oft unbeabsichtigt) Schaden zufügt. Und wir zahlen den Preis in Form einer Erodierung demokratischer Strukturen, die mit der Wahl von Politikern wie Donald Trump oder Parteien wie der AfD einhergeht. Denn diese werden in großem Maße von Menschen gewählt, die sich von globalen Eliten missachtet , ausgegrenzt, nicht repräsentiert fühlen.
Und natürlich haben wir große Teile der Natur von unseren politischen und wirtschaftlichen Prozessen ausgeschlossen. Wir haben vergessen, dass wir die Natur sind , und haben stattdessen unsere Umwelt in einer noch nie dagewesenen Weise ausgebeutet und zerstört.
Was können wir nun tun, um dieser Ausgrenzung entgegenzuwirken und den geteilten Raum unserer Mainstream-Kultur zu erweitern? Im Gegensatz zu unserer ersten Reaktion besteht das Gegenmittel zur Ausgrenzung nicht in der Einbeziehung, sondern in einer tieferen Anerkennung der Ausgrenzung. Denn Exklusion ist so tief in unserer (Mainstream-)Identität verwurzelt, dass wir sie mit „Normalität“ verwechseln. Wir sind wie Fische im Wasser, die nicht erkennen, dass Wasser eine ganz besondere Substanz unter vielen anderen ist.
Ich schlage vor, erst einmal zu erforschen, wie Ausgrenzung in uns wirkt. Wir fragen: Was ist meine aktuelle Erfahrung? Worauf kann ich mich beziehen – in mir selbst, auf andere, in der Welt? Und was schließe ich aus, weil es mein Gefühl von Identität, Sicherheit usw. ist. ist. bedroht? Was halte ich auf Distanz und was beurteile ich negativ? Diese Erforschung erfordert großen Mut, denn wir haben das Abgestoßene, Ausgegrenzte ja nicht verlassen, weil es so schön und angenehm ist, sondern weil dort das Leid und der Schmerz sitzen.
Wenn wir uns darauf verlassen, welche Rolle wir selbst in der Gesellschaft spielen , wer wir sind und welche Geschichten und Glaubenssätze wir in uns tragen, entstehen möglicherweise mehr und neue Räume, in denen wir uns mit einem größeren Ausschnitt der Realität verbinden können. Gleichzeitig öffnen wir Räume für Beziehungen , denn jeder von uns trägt Geschichten und Glaubenssätze in sich. Welche sind deine und welche meine? Warum identifizieren wir uns mit dem einen und nicht mit den anderen? Hier entstehen größere Begegnungsräume, die sich erst einmal nicht auf einer politischen Position, auf wissenschaftliche Fakten oder ein vermeintliches Richtig oder Falsch beziehen, sondern tiefer sehen, wie selektiv jede unsereren Wahrnehmung ist und wie unsere Perspektiven auf Exklusion basieren.
6. Vier verschiedene Wahrnehmungsdimensionen
Eine weitere Möglichkeit, mehr Realität zu erfassen, besteht darin, dass wir auf vier verschiedene Wahrnehmungsdimensionen zugreifen. Dazu eignet sich ebenfalls das bereits oben verwendete Vier-Quadranten-Modell, nur dass jetzt jeder Quadrant für eine andere Form der Welterfahrung stehen soll. Zusammengenommen ermöglichen sie uns eine ausdifferenzierte, ganzheitliche Sicht.
Die vier Dimensionen:
I. Ich – die subjektive Erfahrung von Wirklichkeit : Der Fokus liegt auf unserer subjektiven Erfahrung und Wahrnehmung von Wirklichkeit. Was als „wahr“ angesehen wird, kann sich von Individuum zu Individuum unterscheiden. Zugleich ist diese Perspektive diejenige, die alles filtert, was wir wahrnehmen.
II. Ich und Du – die intersubjektive Perspektive : Der Raum für geteiltes Verstehen und Verständnis. Obwohl sich unsere individuellen Wahrnehmungen unterscheiden können, können wir durch geteilte Wahrheiten entdecken. Diese Ebene erkennt die Tatsache an, dass die Realität sozial konstruiert ist und wir einen – oft unbewussten – sozialen Konsens darüber entwickelt haben, was real ist und was nicht.
III. Es – die objektive Perspektive: Diese Sicht auf die Realität verbinden wir mit (natur-)wissenschaftlicher Forschung. In diesem Fall würden wir auch, als subjektive und intersubjektive Wahrnehmungen keine Rolle spielen und es wäre möglich, eine „objektive“ Wirklichkeit zu beschreiben.
IV. Wir – eine noch weitgehend unerforschte transsubjektive Perspektive : Sie befasst sich damit, wie wir ein soziales Feld und kollektive Phänomene wahrnehmen können. Otto Scharmer nennt diese Perspektive „Fourth Person Knowing“, ein intuitives Wissen, was sich dem Einzelnen auf subtile Weise erschließt und sich auf eine Realität bezieht, die zwischen uns und jenseits von uns liegt und die als Purpose, „Sinn“ oder Potenzial spürbar ist .
Während die dritte wissenschaftliche Perspektive momentan die größte Legitimation erfährt und uns leitet, geht es im Zuge von Growing Spaces darum, die Ich-, Du- und Wir-Ebenen näher zu erforschen und fruchtbar zu machen.
(Zivilgesellschaftliche ) Praxisbeispiele:
- New Work needs Inner Work, Die entfaltete Organisation Einbeziehung der vier Quadranten für neue Formen der Führung und Zusammenarbeit (Breidenbach, Rollow)
- Theory U, System Sensing and Presencing (Otto Scharmer)
- Warm Data Labs (Nora Bateson)
- brafe.space
7. Einbeziehung der Wahrnehmung der rechten Gehirnhälfte
Von den vier verschiedenen Weltwahrnehmungen - Ich, Ich und Du, Es und Wir - hat die Es-Perspektive in der europäisch geprägten Wissenskultur die größte Legitimation. Wir glauben, dass sie, wenn es darum geht, die Realität „objektiv“ zu beschreiben. Doch eine Reihe von Wissenschaftlerinnen und Philosophen haben in den letzten Jahren belegt, dass wir diese Dominanz mit einer gefährlichen Verengung unserer Weltsicht bezahlen müssen. Der schottische Neurologe, Psychiater und Universalgelehrte Iain McGilchrist hat diesem Thema zwei monumentale Werke gewidmet: The Master and his Emissary (2009) sowie The Matter with Things (2021). McGilchrist glaubte, dass sich unser dominantes Weltbild aus einem Ungleichgewicht unserer Gehirnhälften entwickelt hat, bei dem die Wahrnehmungen der linken Gehirnhälfte, die Wahrnehmungen der rechten bevorzugt werden. Das Ergebnis ist eine stark verkürzte, verarmte Perspektive auf die Realität.
Dabei vertritt McGilchrist nicht die frühere, scherenschnittartige und inzwischen widerlegte These, der angeblich die linke Hemisphäre für Logik und Sprache, die Rechte für Gefühle und Bilder sei. Heute wissen wir, dass beide Gehirnhälften an allen Prozessen beteiligt sind. Sie unterscheiden sich jedoch grundlegend darin, wie sie die Welt sehen.
Wie unterscheiden sich auch die beiden Perspektiven? Die linke Hemisphäre konzentriert sich auf Details. Sie konzentrierten sich auf feste, vertraute, abstrakte und meist unbelebte Dinge. Sie ist nach außen gerichtet, mental und wenig verkörpert, vereinfacht statt komplex und denkt in oppositionellen Begriffen: entweder dies oder das. Ihre Aufmerksamkeit ist wie der gebündelte Strahl einer Taschenlampe.
Im Gegensatz dazu gleicht die rechte Hemisphäre einem Flutlicht : Sie sieht das ganze Bild, die Zusammenhänge und Zwischenräume zwischen einzelnen Elementen eingeschlossen. Sie reagiert sensibel auf Bewegungen. Auf dem, was sich veränderte und das, was fehlen könnte. Sie ist in der Komplexität der Welt zu Hause und denkt in komplementären Begriffen: dies und das, sowohl als auch.
Während die linke Hemisphäre die Welt vereinfacht und manipuliert, ist es die Aufgabe der rechten Hemisphäre, sie zu verstehen.
Für die linke Gehirnhälfte besteht die Welt aus Dingen , aus statischen, isolierten Fragmenten, die mechanisch zusammengesetzt werden können. Sie interessiert sich dafür, was eindeutig eingeordnet, quantifiziert und offensichtlich nützlich ist. Ihre Stärke liegt darin, die Umwelt zu manipulieren und Aufgaben zu erledigen. Sie repräsentiert die Welt mit Hilfe von Sprache und Konzepten.
Die rechte Gehirnhälfte nimmt diese Impulse ungefiltert wahr. Sie haben einen direkten Zugang zur gelebten Erfahrung und Präsenz. Die Welt ist für sie Bewegung voller, Kontinuität und Ambivalenz. Ihr Schwerpunkt liegt auf den Aspekten, die wir nicht quantifizieren können, wie Liebe, ästhetischer Genuss und Emotionen. Die linke Hälfte seziert und analysiert und ist in der Wissenschaft verankert, die rechte Hälfte konzentriert sich auf die Erfahrung, Sinn, Bedeutung und drückt sich in Bereichen wie den Künsten und Spiritualität aus.
Für Growing Spaces könnte dieser Ansatz bedeuten, dass wir eine neue Gewichtung der inneren und äußeren, qualitativen und quantitativen Aspekte anstreben . Doch da sie insgesamt vernachlässigt wurden, fehlten uns für die Wahrnehmungsformen der rechten Gehirnhälfte auch die konzeptionell und sprachlich differenzierten Beschreibungsformen. Die nächsten Wachstumsbereiche bieten mögliche Kategorisierungen an.
Wachstum im individuellen Inneren
8. Erweiterung der Informationsbasis durch Einbeziehung von fünf Wahrnehmungsebenen
- körperliche Wahrnehmung
- emotionale Wahrnehmung
- mentale Wahrnehmung
- Informationen des Nervensystems
- intuitive Raumwahrnehmung
In unserer Gesellschaft dominiert die mentale (gedankliche) Wahrnehmung. Alle hier gelisteten Wahrnehmungen sind subtil, dh sie erschließen sich über unsere Fühlfähigkeiten. Damit ich nicht-kognitive Erkenntnisformen habe, die auch nicht auf Verstand, Gedanken und Sprache basieren. Fühlen oder Spüren beinhaltet, dass Menschen emotionale, physische und intuitive Informationen registrieren, die oft so leise und fein sind, dass sie in der gedankendominierten Alltagswahrnehmung untergehen. Da diese energetischen Informationsebenen gesellschaftlich weitgehend ignoriert oder abgewertet werden, haben wir wenig Wissen über sie geteilt. Growing Spaces möchte diese subtilen Informationsebenen differenziert beschreiben und ihre Aussagefähigkeit erforschen.
(Zivilgesellschaftliche) Praxisbeispiele:
Somatic Experiencing bei Black Lives Matter, z.B. die Arbeiten von Prentis Hemphill
- Black Organizing for Leadership and Dignity (BOLD)
- Global Social Witnessing
- brafe.space
- Theorie U, System Sensing und Presencing (Otto Scharmer)
- Warm Data Labs (Nora Bateson)
- New Work braucht Inner Work, Die entfaltete Organisation: Einbeziehung der 5 Wahrnehmungsebenen für neue Formen der Führung und Zusammenarbeit (Breidenbach, Rollow)
- Future Skills Alliance als Versuch, diese Ebenen in die Bildung zu bringen
9. Den individuellen Handlungsspielraum durch persönliches Wachstum erweitern
Entwicklungspsychologen wie Robert Kegan haben in ihren empirischen Forschungen dargelegt, dass Erwachsene einen Wachstumsprozess durchlaufen (können), der sich dadurch auszeichnet, wie viel Realität und Komplexität sie mental und emotional erfassen können. Die wichtigsten Stadien sind:
1. Social Self: Menschen orientieren sich in ihren Werten hauptsächlich an ihrer Umwelt, der dominanten Peergruppe etc.
2. Self-Authoring Self : Menschen verbinden sich mit ihren eigenen Entwicklungsimpulsen und entwickeln Haltungen, Werte und Verhaltensformen, die individuell auf ihre eigenen Impulse und Interessen abgestimmt sind.
3. Self-Transcending Self: Menschen identifizieren sich weniger mit ihrem eigenen Ego und ihren individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen, sondern beziehen größere Teile der Welt ein (zB andere Lebewesen, Ökologie etc.). Sie fühlen sich stärker mit anderen Elementen verbunden und erfahren die Beziehungen zwischen Dingen als primär.
Die Mehrheit der Menschheit ist laut Kegans Studien auf der Ebene des sozialen Selbst. Growing Spaces bezieht sich in diesem Bereich darauf, Räume und Ressourcen für persönliches Wachstum zur Verfügung zu stellen, um mehr Menschen zu ermöglichen, sich mit mehr Realität zu identifizieren. Wenn wir in diesem Bereich auch das Thema Wellbeing und mentale Gesundheit einbeziehen, ist das Feld sehr groß. Es gibt einen enormen Bedarf an Resilienz- und Wellbeing-Maßnahmen, Burnout-Prävention etc.
Wichtig ist an dieser Stelle noch zu erwähnen, dass es hier nicht um eine Bewertung, ein Besser oder Schlechter geht, sondern um die Möglichkeit, mehr von dem, was sowieso ist, in den Handlungsraum zu nehmen. Jeder Handlungsraum ist dabei individuell und es ist wichtig, Grenzen anzuerkennen, um handlungsfähig zu bleiben.
(Zivilgesellschaftliche) Praxisbeispiele:
Wachstum im individuellen und kollektiven Inneren
10. Den Raum jenseits von Polarisierung und Fragmentierung eröffnen
Diese Dimension baut auf der unter 5. beschriebenen „Include more - sich mehr auf das beziehen, was ist “ auf und konzentriert diese auf gesellschaftliche Fragmentierung.
Viele unserer aktuellen Krisen sind das Ergebnis einer fragmentierten bzw. Selektive Perspektive auf die Realität. Statt Wirklichkeit in möglichst vielen Facetten wahrzunehmen und verschiedene Perspektiven anzuerkennen, sind wir ständig damit beschäftigt, Hierarchien zu etablieren. Dabei bevorzugen wir meistens unsere eigene Sicht der Welt und bewerten die von anderen als falsch oder schlechter ab. Im Zuge der geschichtlichen Entwicklung, geprägt von Machtdynamiken, hat dies zu einer Welt geführt, die entlang von unzähligen Dimensionen zertrennt ist. Statt die Verbindungen zwischen Dingen, Menschen und Systemen in den Vordergrund zu stellen (denn alles in der Welt ist interdependent, nichts kann für sich alleine bestehen), liegt der Schwerpunkt unserer Wahrnehmung auf Trennung. Diese Spaltung wird durch digitale Medien nochmals exponentiell gesteigert und führt zu einer Welt voller oft feindlich miteinander konkurrierender Meinungen und Perspektiven.
Growing Spaces erforscht sowohl die Dynamiken der Polarisierung und Fragmentierung als einen möglichen Raum jenseits dieser Spaltung. Wir erforschen die Mechanismen der Abgrenzung in uns als Handelnden und experimentieren damit, wie wir die Grenze zwischen „uns“ und „den anderen“ verschieben und erweitern können. Indem wir uns auf mehr Realität beziehen (dh in unserem Inneren abbilden können, ohne sie gutzuheißen oder zu akzeptieren), kann es uns gelingen, die Welt multiperspektivisch wahrzunehmen.
Zivilgesellschaftliche Praxisbeispiele:
- Mehr Demokratie: Traumainformierte Demokratie
- Relational Activism Lab
- Held Collective: Systems of Oppression
- Meeting the Enemy
- Deeyah Khan: White Right
- Baratunde Thurston: How to Citizen
- Valerie Kaur: See No Stranger
- The Wellbeing Project, z.B. Ecological Belonging
- Desinformations-Workshops im betterplace lab
Die nächste Wachstumsoption stammt aus dem Bereich der traumainformierten Forschung:
11. Durch Integration ehemals abgespaltener Anteile wachsen
Psychologen sprechen vermehrt von Trauma als Ursache für unsere eingeschränkte Antwortfähigkeit, gerade auch auf Krisen. Im Zuge von überwältigenden, schmerzhaften individuellen oder kollektiven Ereignissen, oft in der Kindheit, aber auch später im Leben, erstarren Teile unserer Gefühlswelt ein und sind nicht mehr fähig, dynamisch auf Informationen und Ereignisse zu reagieren. Dadurch wird unsere Handlungsfähigkeit teilweise stark eingeschränkt. Indem wir durch therapeutische Arbeit diese unverarbeiteten Erfahrungen und die daraus resultierenden abgespaltenen, eingefrorenen Teile wieder ins Bewusstsein integrieren, stellen wir die „Response-Fähigkeit“ des Individuums wieder her und erweitern dadurch die Handlungsoptionen.
Die gleichen Mechanismen können wir auch auf kollektiver Ebene sehen, denn durch natürliche oder menschengemachte Katastrophen (von Naturkatastrophen bis zu historischen Verbrechen wie der Sklaverei oder dem Holocaust) haben wir kollektive Strukturen und Kulturen geschaffen, die große Teile der Realität ausgrenzen. Indem wir helfen, diese bewusst zu machen, können wir Unterdrückungssysteme korrigieren und die ursprüngliche Entfaltungsdynamik wieder in Gang setzen.
(Zivilgesellschafliche) Praxisbeispiele:
Und schließlich eine zwölfte Dimension für Growing Spaces, die diejenigen ansprechen mag, für die eine vertikale, spirituelle Perspektive auf Wachstum Sinn stiftet.
12. Die vertikale, schöpferische Dimension einbeziehen
Im Zuge der Aufklärung wurde der Mensch in vielen Gesellschaften zur Krönung der Schöpfung erhoben. Werte und Normen, Ziele und Maßstäbe orientieren sich an menschengemachten Kategorien, während andere Lebewesen und die Natur zu Ressourcen erklärt und ausgebeutet werden konnten. Growing Spaces erweitert die Ökologie, derer wir Teil sind, radikal, indem es sich der spirituellen Sensibilität öffnet und sich den Fragen des Lebens stellt: dem Guten, Wahren und Schönen, dem Sinn des Lebens und Todes, dem Ursprung von Schöpfung und Welt.
Aufbauend darauf bezieht sich Growing Spaces auf die vertikale Dimension des Lebens. Gemeint ist damit eine innere Bindung an die Aspekte der Schöpfung, die über unser Menschsein hinausgehen. Es sind die Aspekte, die uns auf eine existenzielle Weise berühren und oft rational nicht verstanden werden können. Dazu tiefe Krisenmomente, Flow-Erfahrungen während der Gestaltung von wirklich Neuem oder die Ergriffenheit angesichts von großem Leid und Tod, aber auch von überwältigender Schönheit zählen und Liebe.
Weisheitslehrende benennen verschiedene vertikale Bewusstseinsebenen, die wir uns erschließen können. Die meisten beschreiben folgende Ebenen:
- grobstofflich (unsere manifeste, sichtbare Welt)
- subtil (feine energetische Bewegungen)
- kausal (tiefe Stille und Raumhaftigkeit, Leere)
- non-dual (Stille und Bewegung, bzw. subtiler und kausaler Raum sind nicht mehr zwei, sondern eins)
- Allverbundenheit, indem alle Elemente („Informationen“) des stofflichen und nichtstofflichen in Verbindung als Lebensimpuls Bestand haben.
Für die Mehrheit der Menschheit besteht die Welt aus den ersten beiden Ebenen. Die Ebenen 3 bis 5 erschließen sich selten spontan (wie bei dem spontanen Erwachen von Eckhart Tolle) und sind meist den ernsthaft kontemplativ Suchenden vorbehalten. Ich finde es dennoch sinnvoll, auch diese Ebenen bei einer Beschreibung der Landkarte von Growing Spaces mit einzubeziehen.
(Zivilgesellschaftliche) Praxisbeispiele:
- Academy of Inner Science (Thomas Hübl )
- Theorie-U-Prozess und Absencing (Otto Scharmer)
- Spirituelle Praktiken, Meditation und Gebet
Growing Spaces als gesellschaftliches Lernmodell
Growing Spaces ist ein multidimensionales, gesellschaftliches Lernmodell, das verschiedene Wachstums- und Entfaltungsdimensionen einbezieht. Anders als viele andere Modelle erschließt es sich nicht allein durch mentale Operationen. Growing Spaces sind Erfahrungsräume, die auf anderen Formen der zugrunde liegenden Wahrnehmung liegen. Während wir manche Wahrnehmungsformen schon relativ gut kennen, sind andere erst schematisch zugänglich. Wir entdecken, entwickeln und verfeinern sie parallel zu den Anforderungen unserer Zeit. Wir schöpfen dafür nach neuen Konzepten und Worten, oder deuten bestehende um, etwa Begriffe wie „Raumhaftigkeit“, „Sensing“, „Einstimmung“, „Stimmigkeit“, „Frequenzen“ und „Resonanz“.
Ich schließe mich John Keats Diktum an: „Nichts wird jemals real, es sei denn, es wird erlebt.“ Sinnvolle Erneuerungen, die adäquate Antworten auf die brennenden Fragen unserer Zeit liefern, entstehen in diesem Verständnis nicht dadurch, dass wir abstrakt neue Ideen denken , sondern dass wir potenzielle Zukünfte, neue Möglichkeiten, sinnlich erfahren und daraus neue Strukturen und Prozesse ableiten. Denn die Zukunft liegt in vielen Bereichen schon unter uns. Wie Clay Shirky einst über digitale Innovationen sagte: „Die Zukunft ist schon da, sie ist nur noch nicht gleichmäßig verteilt.“
Wachsende Räume, Entwicklung und Entfaltung, basierend auf individuellen Kapazitäten, sind aber auf Beziehungen angewiesen. Beziehungen zu der Vielfalt der eigenen Wahrnehmung und der Seins-Ebene anderer Menschen und Lebewesen, sowie der Natur, die uns umgibt und von der wir ein Teil sind. Jede Raumerweiterung ist mehrdimensional und relational. Die unterschiedlichen hier beschriebenen Dimensionen des Wachstums treten in verschiedenen Kombinationen untereinander auf und ergänzen sich in unterschiedlicher Weise.
Growing Spaces als Gestaltungsprinzip
Growings Spaces ist der Versuch, unbestimmte Zukunft auszuhalten und Handlungsspielräume zu öffnen. Ähnlich wie bei der Erschaffung eines Kunstwerkes, das entstehen „will“, möchten wir Gestaltungsräume bereitstellen, in denen wir uns tief mit der gegenwärtigen Realität verbinden. Indem wir unsere Erwartungen, Ängste und Grenzen stellen, schaffen wir einen Raum, in dem Neues entstehen kann.
In diesem Verständnis ist so genannter Wandel oder Change keine von vornherein festgelegte Bewegung in Richtung einer „besseren“ Zukunft, sondern die Absicht, sich so offen und authentisch wie möglich mit dem Veränderungsprozess an sich zu verbinden und die dem Leben zugrundeliegende Gestaltungskraft zu manifestieren zu lassen.
Zurück zum Anfang: Growings Spaces waren schon immer da. Es gilt, sie weiter freizulegen und mit einer Vielfalt von Ressourcen (Wissen, Wahrnehmung, Geld, Zeit etc.) zu ihrem Wachstum beizutragen und so frei, bewusst und in Beziehung, wahrhaftig Neues zu gestalten.