Im Oktober haben wir zwei Warm Data Labs im bUm veranstaltet. Das war nicht nur für uns ein neues Format, sondern auch für fast alle anwesenden Gäste. Die Spannung und Vorfreude lag spürbar in der Luft – und sollte sich bewahrheiten. Keine Frage also, dass wir für Euch einen kleinen Rückblick machen. Und statt Euch mit ellenlangen theoretischen Ausführungen zu langweilen, steigen wir gleich richtig ein: Mit der Innenansicht einer Teilnehmerin unseres ersten Warm Data Labs.
Inside the lab: Wie sich “Warm Data” anfühlt
Vorhang auf: Es zwitschert, es zirpt. Exotische Vogelstimmen füllen den Raum. Leichtfüßig tänzeln klangmalerische Laute im Raum. Sie bewegen sich in den rhythmischen Wogen eines Sprechgesangs, der mich beinahe hypnotisiert. Im Hintergrund Klänge von Streichern, Piano und Holzblasinstrumenten.
Ich sitze ich in einem der vielen kleinen Stuhlkreise im Saal. Mir gegenüber hat ein etwas älterer Herr Platz genommen. Bis vor Kurzem war er der Pfarrer einer Kirche hier im Kiez, sagt er beiläufig. Zu seiner Linken sitzt eine junge Frau, die nächstes Jahr für den Bundestag kandidieren will. Ich kenne sie von ihrer Facebook-Kampagne. Auf den Platz neben sie hat sich ein junger Mann gesellt, der sich etwas zögerlich als Pianist vorstellt.
Auf dem Boden in unserer Mitte liegt ein Zettel mit der Aufschrift “Ökonomie”. In unserem Stuhlkreis, so erklärt es das Hosting Team, sollen wir durch die “Linse” der Ökonomie sprechen. Und zwar über die eine einzige Frage sprechen, um die es heute Abend gehen soll: “Was ist Fürsorge in einer sich wandelnden Welt?”.
Nun gut – los geht’s. An Ideen mangelt es uns nicht. Bald kreisen wir um den Begriff der Care-Arbeit. Wir berichten von eigenen Erfahrungen und Erlebnissen: Wie anstrengend es sein kann Kinder großzuziehen, Angehörige zu pflegen oder tagtäglich den Haushalt zu schmeißen – all das neben einem Job, der einiges an Herausforderungen bereithält.
Schon bald drängt sich uns die Frage auf, ob Care-Arbeit die Basis für unser gesellschaftliches Zusammenleben ist. Bildet sie möglicherweise, das “unsichtbare” Fundament unseres gesamten Wirtschaftssystems? Ist es gerecht, dass diese Tätigkeiten nicht entlohnt werden?
Plötzlich steht neben mir eine Frau mittleren Alters. Sie trägt einen schicken dunkelblauen Blazer und schwarze Schuhe mit recht hohen Absätzen. Sie rückt sich einen bisher leeren Stuhl zurecht und setzt sich zu uns. Ob wir schon darüber nachgedacht hätten, welche Rolle Fürsorge für das Verhältnis zwischen Mensch und Tier spiele, fragt sie in die Runde. Die Stoßrichtung ist klar, denke ich: Wie können wir einerseits unsere lieben Hunde verhätscheln und andererseits Tiere in Fabrikhallen verarbeiten?
Die Frau saß bis eben noch in einem anderen Stuhlkreis. Dort stand auf dem Papier in der Mitte des Stuhlkreises “Ökologie”. Unser Gespräch nimmt durch ihr Hinzustoßen eine Wendung – ohne dass wir dabei unseren Ausgangspunkt vergessen. Stück für Stück geraten wir tiefer in die Familiengeschichte der Frau, da Ihre Tochter, wie sie erzählt, keine tierischen Produkte mehr isst, seitdem sie zehn Jahre alt ist. Aus Verantwortungsgefühl. Das macht ganz schön Eindruck – und lässt uns anderen im Kreise nachdenklich werden.
Und das ist erst der Anfang. Ich sitze an diesem Abend noch in drei weiteren Runden. Ich springe in Themen und persönliche Geschichten, teile eigene Erfahrungen und Ansichten. Neben Ökonomie komme ich noch mit den Kontexten Spiritualität, Familie und Technologie in Kontakt.
Der Blick zurück: Was wir gelernt haben
Warm Data Labs sind eine tolle Möglichkeit jahrelang eingeübte “scripted dialogs” zu verlassen. Sie schaffen einen kommunikativen Raum, um eigene Erfahrungen zu teilen und auf dieser Weise Zusammenhänge zu erfahren. Denn, das merken wir an beiden Abenden, das ist der Schlüsselmoment: Wenn wir aufhören über die Dinge zu sprechen und anfangen über uns zu reden, gelangen wir auf eine andere Kommunikations- und Verständnisebene. Es sind unsere persönlichen Geschichten, in denen wir Zusammenhänge erkennen und diese auch verständlich mitteilen können.
Sobald auch unsere Emotionen und Gesten, ja unsere ganze körperliche Präsenz zu einem Teil der Geschichte und des Austauschs werden, nähern wir uns der Komplexität jener Phänomenen und Zusammenhänge, die wir besprechen. Wir sind verflochten – in jeder Hinsicht. Die Warm Data Labs schaffen einen experimentellen Rahmen, um diesem Umstand zumindest zeitweise annähernd gerecht zu werden.
Doch nicht alles lief an den zwei Abenden nach Lehrbuch. Idealerweise bestehen Warm Data Labs aus einem Publikum, dass so unterschiedlich und divers ist, wie es Lebenserfahrungen und Perspektiven auf dieser Welt gibt. Wir haben uns sehr viel Mühe gegeben dies mit unseren breit gestreuten Einladungen zu erreichen. Geklappt hat es ehrlich gesagt nur teilweise.
Die Hürden mögen mannigfaltig sein. Und klar ist auch: Für uns im lab sind neue Methoden und Workshop-Formate ziemlich cooler Kram. Den Großteil Berlins juckt das wohl eher weniger. Gründe dafür gibt es genug. Und dennoch fänden wir es spannend auch den Shisha Bar-Besitzer von nebenan, die Buchhändlerin aus dem Kiez oder den Verwaltungsangestellten vom Bezirksamt Neukölln mit dabei zu haben. Wir müsste ein Setting aussehen, mit dem uns das gelingt?
Schließlich ist eines zumindest schon ganz klar: Die Warm Data Labs bereichern schon jetzt unseren Methodenkoffer. Ob für weiteres Community Building im bUm und hier im Kiez; oder als Antwort auf die fortschreitende politische Polarisierung, die wir mit unserem Projekt für eine positive Debattenkultur (Das NETTZ) bearbeiten – die Anwendungsfelder liegen für uns auf der Hand. Da wollen wir ran! Denn Warm Data Labs helfen uns dabei systemisch denken zu lernen – und diesen Lernprozess in die Welt hinauszutragen.
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