Zu früh dran: Geld für Themen von morgen

Nobody really understood what I was talking about. People didn’t know where to place this topic. They sent me from one person to the other.
Joana Breidenbach

Gut Ding will Weile haben, gilt hier im wahrsten Sinne – der Weg von der Idee zur Umsetzung des betterplace Wellbeing-Projektes ist ein Paradebeispiel dafür, wie kompliziert es oft ist, Geldgeber für Themen zu begeistern, die (noch) nicht en vogue sind.

Und das gilt nicht nur für blutjunge Startups, sondern auch für uns, die wir nicht bei Null anfangen, sondern schon in alle möglichen Richtungen vernetzt und bekannt sind.

Finanzierung für Wellbeing – ein Marathon

Als 2015 Joana Aaron Pereira’s Wellbeing Project entdeckt, ist das betterplace lab dabei, sich radikal zu verändern, nämlich von einer klassischen Hierarchie zu einem selbstorganisierenden New Work System. Inner Work wird umso wichtiger, denn die Team Transformation macht ein besonderes Maß an innerer Stabilität unabdingbar.

2016 läßt sich Joana von Wellbeing Project Retreats in Schweden und der Schweiz inspirieren – das Thema Wellbeing sollte Teil der Arbeit im betterplace lab werden.

Gemeinsam mit zwei anderen deutschen Teilnehmern entsteht die Idee, ein German Wellbeing Projekt zu kreieren.

2017 finden erste Funding Gespräche statt. Jedoch springt der Funke nicht über. Niemand versteht, wovon Joana spricht. Wellbeing – reiner Luxus. Nichts für Menschen, die die wirklich ernsten Probleme lösen wollen.

Es wird schnell deutlich, dass unklar ist, wo das Thema hingehört, es schwer fällt eine passende Kategorie zu finden. Generell bereitwillige Stiftungen versuchen das Thema unter Gesundheit einzuordnen. Aber die Zuständigen dort finden keinen Anknüpfungspunkt.

Gleichzeitig trifft Joana Menschen, die sich auch damit beschäftigen, wie sich der soziale Sektor mit Inner Work verbinden läßt.

For me it was really important not to be this lonesome fighter, fighting for a topic nobody understands.
Joana Breidenbach

Joana trägt die Idee die ganze Zeit mit sich herum, bis Ende 2018 die Zeit gekommen ist, das Thema ernsthafter anzugehen, denn mit dem Coworking Space bUm in Berlin-Kreuzberg entsteht ein Ort, an dem sich wunderbar zwei Dinge verbinden lassen: Coworking für die Zivilgesellschaft und Wellbeing.

Dem schwedischen Philanthropen Tomas Björkman gefällt die Idee und er stellt Joana seinen Mitarbeiter Sebastian Baier an die Seite. In den nächsten Monaten treffen sie sich mehrmals im Monat um gemeinsam potentielle Förderer zu sichten und kontaktieren. Lab-Außenministerin Caro ist ebenso involviert. 30 Organisationen, Stiftungen, Firmen, Ministerien werden ausgesucht, die das Thema unterstützen könnten, außerdem NGO’s, für deren Team-Mitglieder so ein Projekt interessant sein würde.

Erster Erfolg ein halbes Jahr später, wenn auch nicht finanzieller Art: Die Stiftung des Benediktinerabts Williges Jäger West-Östliche Weisheit eröffnet einen Meditationsraum im Co-Workingspace – von da an gibt es 2 mal pro Woche Zen Meditation im bUm.

Über das Thema Kollaboration findet Joana mit der Schöpflin-Stiftung eine gemeinsame Sprache. Kollaboration braucht bestimmte innere Kompetenzen, also Inner Work – da lässt sich anknüpfen. Wir erkennen, dass der Themenfokus aufzubrechen ist und entwickeln zwei parallele Stränge: Kollaboration und Wellbeing.

Die Schöpflin-Stiftung ist bereit zu finanzieren, wenn Kollaboration konsequenterweise auch Teil des Fundings ist. Mit der amerikanischen Stiftung Luminate findet sich nach 9 Monaten ein Co-Funder für das mittlerweile fertig konzeptionierte Co:Lab Programm. Mit Wellbeing alleine können diese Geldgeber wenig anfangen.

Nach vielen Telefonaten und Treffen mit verschiedenen Versicherungen und Unternehmen, treffen Joana und Sebastian bei dem Dachverband der Betriebskrankenkassen für den Wellbeing-Strang auf Resonanz. Drei Betriebskrankenkassen (BKK VBU, Salus BKK, pronova BKK) fühlen sich inspiriert mitzumachen. Denn es gibt inzwischen ein Bewusstsein darüber, dass sich auf dem Sektor der Gesundheitsvorsorge in den nächsten Jahren viel verändern wird. Der Trend zu mehr selbständiger Arbeit in Coworking-Spaces schafft neue Herausforderungen. Neue Arbeitsformen schaffen den Bedarf an neuen Gesundheitsangeboten. Längst sind Yoga oder MBSR Achtsamkeitstrainings nicht mehr in der Eso-Ecke.

Im letzten Quartal 2020 können wir endlich nach drei Jahren endloser Calls und Meetings das Vorhaben umsetzen. Der mühsame Weg hat sich gelohnt und zu guter Letzt sind einige Dinge klar geworden. Joana hat aus den Learnings folgende Fundraising Prinzipien abgeleitet.

Vier Fundraising-Prinzipien

An der Vision festhalten & Verbündete suchen

Wenn man eine/r von wenigen ist in einem Ökosystem, die eine Idee verfolgen, braucht man ein paar Verbündete, mit denen man guten Kontakt pflegt. Es lohnt sich, sich umzuschauen, was außerhalb der eigenen Bubble los ist und sich mit Menschen zusammenzutun, die an ähnlichen Baustellen arbeiten und bestenfalls sogar weitere Perspektiven und Inspiration mitbringen.

Flexibles Portfolio

Es gilt herauszufinden, wie das Projekt bei wem am besten gepitcht wird. In unserem Fall war der Kniff, den sperrigen Begriff in Zusammenhang zu bringen mit verständlicheren Worten: Mentale Gesundheit bei den Krankenkassen, Kollaboration bei den Stiftungen.

Bei den einen kam eher an zu betonen, dass bestimmte Skills benötigt würden, um eine besonders gute und fruchtbare Zusammenarbeit zu ermöglichen.

Das passte in die Logik der Förderer. Ungeheuer hilfreich war es, dass die meisten Ansprechpartner*innen Joana Buch “New Work Needs Inner Work” (2019, mit Bettina Rollow) kannten und darüber Verständnis für die Thematik aufgebaut werden konnte. Organisationsentwicklung/agiles Arbeiten, Inner Work/Veränderung von Führungsstrukturen – solche Kausalzusammenhänge, die fortlaufender Trend sind in der Wirtschaft, sorgten für Interesse.

Die richtige Sprache finden

Für jeden Geldgeber gilt es, eine gemeinsame Sprache zu finden. Bei einem unternehmerisch orientierten Geldgeber kommt der Produktivitäts-Aspekt gut an. Das sollte allerdings nicht bedeuten, dass man seine eigenen Werte über Bord wirft. Es galt in unserem Fall, darauf zu achten, den Wellbeing-Begriff nicht zu instrumentalisieren. Wellbeing meint ja gerade nicht, dass es (zu allererst) um die Erhöhung der Produktivität geht und Wellbeing als Garant für fleißigere Arbeitende eingesetzt werden sollte. Da ehrlich zu sein und dennoch offene Türen einzurennen, brauchte Feingefühl.

Bei einem anderen Förderer, der mehr in Richtung Community-Aufbau und Vernetzung orientiert ist, galt es, den Aspekt der Beziehungen stark zu machen, Da waren in unserem Fall Wörter wie Community Building die Brücke.

Embodiment

Der Bedarf für ein Projekt, das seiner Zeit voraus ist, läßt sich nicht nur intellektuell übertragen, es braucht auch eine gefühlte Erfahrung. Ein Schlüssel hierbei ist, dass das Gegenüber das intrinsische Interesse spüren muss, das Sprühen, das Brennen für die Idee und die innere Überzeugung

Wenn man die Förderer auch noch dazu bewegen kann, selbst die Erfahrung zu machen, ist das ein echter Game-Changer.

Joana Breidenbach's Betrachtung dazu in englischer Sprache

Foto: Jason Briscoe | Unsplash

Our Podcast

The first episode of the series "Wir kriegen die Krise." (only in German)