Weiterleiten statt konkurrieren

Die Pandemie hat unsere Art zu arbeiten massiv verändert. Digitale Tools und Skills sind wichtiger denn je und viele Organisationen haben 2020 schmerzlich erfahren müssen, dass es ihnen an Expertise in diesen Bereichen fehlt. Denn die Digitalisierung hat gerade für viele kleinere Non-Profits oft einen belastenden Beigeschmack, fühlt sich überfordernd an und ist mit Druck von außen verbunden. Manchen scheint ihre Arbeit und das bisher Erreichte in der Folge potentiell nichts mehr wert zu sein. Dabei gab es damals wie heute viele Akteur*innen, die insbesondere den sozialen Sektor fit für die Digitalisierung machen und beim Übergang helfen wollen.

Einige Vertreter*innen dieser Weiterbildungsträger trafen sich im Sommer 2020 zu einem Austausch über mögliche Zusammenarbeit und Baustellen, die man gemeinsam angehen könnte. Die Motivation, hier mehr zu bewegen, war bei allen Teilnehmer*innen durch den Corona-bedingten Schub groß. Carolin Silbernagl aus der Stiftung Bürgermut nutzte diese positive Dynamik und überführte die ersten Kollaborationsimpulse der Gruppe in eine Teilnahme am zweiten co:lab Cluster vom betterplace lab. Mit dabei waren die betterplace academy, D3 – so geht digital der Stiftung Bürgermut, die Digitale Nachbarschaft, Die Verantwortlichen #digital der Akademie für Ehrenamtlichkeit, das Haus des Stiftens und der Verein 3.0.

Mut zum offenen Miteinander und eine Portion Skepsis

Das gemeinsame Ziel war von Anfang an klar – Die deutsche Zivilgesellschaft soll mehr Transparenz über Angebote zur digitalen Weiterbildung bekommen. In dem man das Thema digitaler Qualifizierung gemeinsam beleuchtet, würden sich Synergien ergeben, mehr Sichtbarkeit geschaffen und am Ende ein Mehrwert für Zielgruppe wie auch beteiligte Träger stehen – letztlich eine Win-Win-Situation. Trotzdem gab es auch Vorbehalte und Bedenken. In der Zusammenarbeit mussten alle Teilnehmer*innen Einblicke in ihre Strategien, Pläne und Angebote geben, die ihren Mitbewerber*innen im Zweifel Vorteile geben könnten.

Am Anfang war da ab und zu mal Angst da, weil eigene Interessen eine Rolle spielen. Die Sorge, dass vielleicht jemand untergeht oder zu stark vertreten ist.
Friederike Petersen, Stiftung Bürgermut

Der offene Austausch wurde weiter dadurch erschwert, dass jede*r gleichzeitig auch ein*e Vertreter*in von Förderprojekten war, die alle aus ähnlichen Budgets bezahlt werden, die wiederum irgendwann auslaufen. Eine gewisse Konkurrenz ist daher schwer zu vermeiden. Die Rolle von Anja Sekkat als Coach und externe Prozessbegleiterin wurde vor diesem Hintergrund als besonders wertvoll empfunden. Der neutrale Blick von außen, das Innehalten, die Möglichkeit eine externe Stimme zu hören und bei Bedarf, ein Korrektiv zu haben – all das half dem Cluster, Bedingungen und Strukturen zu reflektieren und Bedenken offen anzusprechen. So konnte Vertrauen geschaffen werden und sich eine positiv-konstruktive Arbeitsatmosphäre etablieren.

Im Ablauf des Clusters gab es zunächst einen gemeinsamen Kick-Off, in dem Ziele und Erwartungen an die Zusammenarbeit festgelegt werden. Darauf folgten Termine zu Rollen und Kompetenzen sowie mehrere Workshops mit systemischem Schwerpunkt, in denen das gemeinsame Vorhaben durch vielfältige Perspektiven geprüft wurde. Den Abschluss bildete eine Supervision, in der die Gruppe verabredete, wie die Zusammenarbeit nach der Prozessbegleitung weitergehen sollte.

Herausforderungen methodisch angehen

Das zu Beginn grob vereinbarte Ziel wurde im Laufe des Prozesses konkreter. Neben dem Sammeln von Informationen und regelmäßigen gegenseitigen Updates wollte die Gruppe die Zielgruppe durch passgenaue Inhalte und gemeinsames Marketing besser erreichen. Dabei fiel ihnen die Verdichtung und Zusammenfassung ihrer Inhalte oft nicht leicht. So stand zwar bald das Ziel einer gemeinsamen Website fest. Als es allerdings darum ging, diese auch zu konzipieren und sich auf Leitfragen zu verständigen, wurden Probleme wie das Zurückstellen eigener organisationaler Perspektiven und Darstellungen deutlich. Müssen wir hier wirklich alle sichtbar werden? Reicht es nicht ein besonders passendes von unseren Angeboten hervorzuheben? Wie können wir es so übersichtlich wie möglich gestalten und auf wenige unserer Themen fokussieren? Solche Fragen wurden diskutiert und die damit verbundenen Ängste benannt. Auch unterschiedliche Ansprüche an und Frustrationen über das Tempo der Zusammenarbeit hätten in einem anderen Kontext vielleicht zum Scheitern des Prozesses geführt.

Ich glaube, dass sich Herausforderungen durch Formate wie das Besprechen in Triaden gezeigt haben, noch bevor wirklich Frustration entstehen konnten. Unzufriedenheit konnten wir vermeiden, da wir unser Anliegen zuerst in der Triade in einer kleinen Gruppe besprochen haben und dann aufgefordert waren, es in der großen Runde zu teilen.
Christina Wegener, betterplace academy

Wenn in den Triaden Frust auftauchte, dann sorgten anschließende Reflektionsrunden oft für unerwartete Aha-Momente. So wurde während einer Diskussion deutlich, dass die Herausforderung für einige der Teilnehmer*innen beim Abgeben von Arbeit nicht die Angst ist, das Ergebnis nicht beeinflussen zu können, sondern eher Sorge vorherrscht, die anderen mit der dadurch entstehenden Mehrarbeit zu belasten. Viel Wertschätzung erhielt das bewusste Reflektieren, Innehalten und die Zeit, in Kontakt mit den eigenen Gefühlen zu gehen.

Zeit für Reflektion

Für mich war es total wertvoll, immer wieder diese Metaebene einnehmen zu können und zu gucken, wo stehen wir denn und was brauchen wir gerade? Was fühlt sich gut an und was fühlt sich gerade schwierig an?
Christina Wegener, betterplace academy

Insgesamt war das zweite co:lab-Cluster wesentlich vom Gefühl geprägt, dass kollaborative Zusammenarbeit die Akteur*innen dazu bringt, weniger vom Konkurrenzgedanken getrieben zu sein als vielmehr vom gemeinsamen Mehrwert der Sache, für die sie einstehen. Das Ergebnis der Arbeit im Cluster kann sich denn auch sehen lassen: Die Gruppe steht derzeit kurz davor, eine gemeinsame Web-Plattform zu launchen, welche einen strukturierten Überblick über alle Angebote gibt. Wie es danach weitergeht, wo die Schwerpunkte liegen werden?

Das werden wir sehen. Aus Sicht der Gruppe soll es auf jeden Fall weitergehen. (...) Wir wollen Dinge gemeinsam denken, unser Anliegen, der Unterstützung der Zivilgesellschaft in der Digitalisierung, wirklich durchzubringen.
Friederike Petersen, Stiftung Bürgermut

Our Podcast

The first episode of the series "Wir kriegen die Krise." (only in German)