Desinformation bedroht unsere Gesellschaft
Zu Beginn des Internetzeitalters sah es so aus, als würden die neuen, offenen und freien Debattenräume demokratischen Prinzipien und Institutionen weltweit zum Siegeszug verhelfen. Die soziale Polarisierung und Fragmentierung allerdings findet im Digitalen vermehrt Ausdruck und wird verstärkt durch große soziale Netzwerke, in denen Fakten für die Konstitution von Wahrheit immer unbedeutender werden. Wie können Gesellschaften im postfaktischen Zeitalter Herausforderungen meistern, vor denen sie im Zuge des sozio-ökologischen Umbaus der Welt stehen?
Gezielt eingesetzte Desinformationen manipulieren gesellschaftliche Aushandlungsprozesse und bedrohen den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dabei ist Desinformation kein neues Phänomen, die bewusste Täuschung zur (persönlichen) Vorteilsverschaffung ist keine Erfindung des Internets. Jedoch ist das Ausmaß mithilfe digitaler Technologien immens: Fake News werden bewusst in digitalen (teils geschlossenen) Bubbles platziert, Bots lassen Falschinformationen schnell viral werden und Deep Fakes machen die Unterscheidung von echt und unecht fast unmöglich. Das Ausmaß des Problems für die Demokratie werden wir im Zuge des Wahlkampfs und der anstehenden Bundestagswahl vielleicht deutlicher zu spüren bekommen, als uns lieb ist.
Ansätze gegen Desinformation
Neben staatlichen Organen und Regulierungs-Gesuchen, die versuchen gegen Desinformation anzukämpfen, gibt es diverse zivilgesellschaftliche Akteur*innen, die gegen die bewusste Platzierung und Verbreitung von Falschinformationen vorgehen: Watchdog-Organisationen wie Social Media Watchblog bieten einen informativen Überblick über zentrale Entwicklungen und Trends in den sozialen Medien. Fact Checking-Organisationen wie correctiv decken Falschinformationen und Gerüchte auf, selbst einige Social Media Plattformen ermöglichen das Melden von Fehlinformationen. Einige Organisationen wollen durch Bildungsansätze die Medien-/Nachrichten-Kompetenz stärken, wiederum andere bieten Beratung für Opfer von Hetzkampagnen. Wissenschaftliche Analysen schaffen spezifische Erkenntnisse zum Thema Desinformation und tragen damit dazu bei, die Mechanismen und Strategien dahinter zu verstehen. Um den Kampf gegen Desinformation wirkungsvoll zu führen, müssen übergeordnete Strategien und Grassroots-Ansätze besser ineinandergreifen.
Wir betrachten das Phänomen Desinformation als System. Um es in seiner Komplexität erfassen und wirkungsvoll (re)agieren zu können, ist es notwendig aus Silos herauszukommen, in denen sich Akteur*innen oft befinden, und eine Form der Zusammenarbeit zu entwickeln. Deshalb haben wir im Rahmen des betterplace co:lab ein Akteur*innen-Cluster zum Thema Desinformation gebildet.
Das betterplace co:lab ist ein Programm des betterplace lab, das gemeinwohlorientierte Akteur*innen bei der Ausbildung und Umsetzung kollaborativer Ansätze begleitet. Durch Prozesscoaching, aber auch die Aus- und Weiterbildung von Kompetenten zur Reflexion und achtsamen Gesprächskultur soll Zusammenarbeit verbessert werden.
Im Cluster Desinformation denken und arbeiten die folgenden Akteur*innen zusammen:
- Valerie Scholz und Katharina Klimkeit von Facts for Friends
- Anna Wohlfarth von Stiftung Neue Verantwortung
- Isabel Reda und Aline Mörrath von spreu X Weizen
- Anja Zimmer, Rechtsanwältin, Politikberatung und Moderationen
- Patrick Mueller von codetekt
- Joana Breidenbach und Katja Jäger von betterplace lab
Inhaltlich setzt sich das Cluster damit auseinander, wie/wo Desinformation ins System gelangt, dort verbreitet und rezipiert wird um damit herauszufinden, wie wirksam dagegen vorgegangen werden kann. Klar ist: So komplex das Problem, so komplex wird auch die Lösung sein. Unser erster Schritt besteht darin, die eigene Bewusstwerdung im System zu erreichen: Wo ist mein Platz, an welcher Stelle wirke ich gerade, wo kann ich am besten wirken? Wir schauen dabei auch auf die systemischen Kontexte: Welche gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Kräfte begünstigen Desinformation, welche Rolle spielen die multiplen Krisen unserer Zeit? Gemäß dem Systems Thinking ist unser Ansatz “das System in einen Raum zu bekommen”, es besser zu verstehen und gemeinschaftliche Antworten zu formulieren. Dabei gilt es Hürden, Kommunikationsprobleme und eigene Grenzen in einem moderierten Prozess zu erkennen.
Im Moment befinden wir uns noch in der Startphase des gemeinsamen Prozesses. Wie wir vorankommen, an welchen Stellen wir uns die Zähne ausbeißen und welche Lösungsvorschläge wir haben: Stay tuned, wir werden davon berichten!
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Das betterplace co:lab-Programm ist ein Projekt des betterplace lab und wird gefördert durch Luminate und die Schöpflin Stiftung.