Im März 2022 feierte die Community des Digital Human Rights Lab in Kampala den Übergang zu einer kollaborativen, selbsttragenden Arbeitsweise unter dem Motto #DHRLcollaborating4impact. Das Digital Human Rights Lab, das wir gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen Future Challenges und Pollicy sowie der gewachsenen Community in einem dreijährigen Prozess aufgebaut und gestaltet haben, wird seit April 2022 unter der organisatorischen Leitung von Pollicy weitergeführt. Eine aufregende, herausfordernde und erfolgreiche Zeit lag hinter allen Beteiligten, als wir am 21. März 2022 zusammenkamen. Welche Erfolge gab es zu feiern? Welche Lehren und Erfahrungen tauschten wir aus? Eine Zusammenfassung.
Digital Human Rights Lab in Uganda 2019-2022
Digital Human Rights Lab in a nutshell
Das DHRLab wurde Anfang 2019 in Uganda mit Hilfe der Finanzierung des BMZs unter der "Digital Africa Initiative” aufgebaut, um Menschenrechte im digitalen Zeitalter zu schützen und im digitalen Raum durchzusetzen. Das beinhaltete, die Menschenrechtsarbeit durch effektive und innovative Nutzung digitaler Infrastrukturen und Werkzeuge zu stärken sowie die Prinzipien für digitale Entwicklung (Principles for Digital Development) anzuwenden, um mit den verschiedenen Zielgruppen ein gemeinsames Verständnis davon zu entwickeln. Ziel der Aufbauphase war es, bestehende lokale und regionale Ansätze und Netzwerke zu identifizieren, diese wiederum untereinander zu vernetzen und die Herausforderungen zivilgesellschaftlicher Organisationen im Rahmen der digitalen Transformation bestmöglich zu verstehen. Im Anschluss ging es darum, Kenntnisse, Ansätze und Initiativen auszubauen und zu professionalisieren. Dazu entwickelten wir gemeinsam mit den zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort ein digitales Curriculum, das einen interorganisationalen Wissenstransfer zum Ziel hatte. Darüber hinaus galt es, überregionale und internationale Best practices kennenzulernen und für die eigene Menschenrechtsarbeit anzuwenden. In einem Innovationsprogramm wurden in zwei Runden in ganz Uganda innovative Ansätze zur digitalen Menschenrechtsarbeit identifiziert und in der Entwicklung und Umsetzung bis zur Marktreife unterstützt.
Das DHRLab ist zu einem virtuellen und physischen Raum an der Schnittstelle von Menschenrechten und digitalem Wandel geworden. Es entstand ein offenes Netzwerk von Akteur*innen der ugandischen Zivilgesellschaft, die sich für die Stärkung und Durchsetzung der Menschenrechte in einer digitalisierten Welt einsetzen. Das DHRLab bündelt Wissen und Expertise, vernetzt inzwischen über 60 Organisationen und engagierte Einzelpersonen und unterstützt innovative Ideen, um die Potenziale der Digitalisierung für die Menschenrechtsarbeit zu nutzen. Aus den im DHRLab vernetzten Organisationen haben sich fünf Communities of Practice zusammengeschlossen und Arbeitsgruppen gebildet.
&t=50sMeilensteine und Highlights in den ersten drei Jahren
Alle Ereignisse, Höhepunkte und Herausforderungen zu beschreiben, wäre zu umfangreich. Wir haben eine Auswahl zusammengestellt, die einen Querschnitt abbildet.
Projekt startet
Nach dem Projektstart im Mai 2019 und einer Vorbereitungsphase fand im Oktober 2019 die Auftaktveranstaltung in Kampala statt mit Vertreter*innen des betterplace lab, Pollicy, Future Challenges, GIZ Uganda und ca. 50 ugandischen Menschenrechtsaktivist*innen. Gespräche über digitale Menschenrechte wurden geführt und Blitzvorträge zu verschiedenen Themen rund um Digitalisierung und Menschenrechte gehalten.
Communities of Practice
Von November 2019 bis November 2020 formierten sich die Communities of Practice entlang einer Reihe von Workshops und starteten acht Arbeitsgruppen, jeweils mit eigenem spezifischen Zeitplan, Zielen und Projektdesign:
- CoP Digital Security mit dem Projekt Development of a Standard Digital Security Curriculum
- CoP Cyber Laws & Regulations mit den beiden Projekten Salvaging the Shrinking Digital Space through Advocacy und Empowering HRDs with Legal and Digital Fortitude
- CoP Digital Inclusion mit den Projekten Mitigate Impacts of Human Rights Abuses on HRDs; Assessing the effect ICT policies on utilization of ICTs by PWDs | Disability Rights; Data Awareness and Digitalization | LGBT Rights; Human Centered Design Training for HRDs und Structuring Protective Systems for Women/Children
- CoP Innovations for rural development mit dem Projekt Promoting Human Rights and Innovations in the Digital Space Project
- CoP ICT4 Advocacy mit dem Projekt Human Rights Tracker to Safeguard HRDs
Während dieser ersten Phase des Aufbaus der Community und der CoPs mit ihren Arbeitsgruppen wurde die Arbeit in besonderem Maße durch die Pandemie herausgefordert. Fast während der gesamten Projektlaufzeit waren digitale Treffen die Regel, was für ein Non-Profit-Projekt in der internationalen Zusammenarbeit schon eine erhebliche Hürde darstellt. Das konnte nur funktionieren, weil alle Projektpartner sich der Herausforderung bewusst waren.
Vertreter*innen von mehreren Organisationen der Community nutzten im Mai 2020 die Möglichkeit, die Arbeit des DHRLab beim Global Digital Development Forum zu präsentieren. Fokus der Session war dabei die Rolle der digitalen Menschenrechte in Zeiten der Pandemie. Darüber sprachen die Engagement Leads des DHRLabs, die im Juni 2020 ihre Arbeit unter diesen erschwerten Bedingungen aufnahmen.
Kommunikation
Im Juni 2020 ging die erste DHRLab-Podcast-Epsiode online. Alle 15 Teile der Reihe “Human Rights and the Digital” sind auf der DHRLab Homepage aufgelistet. Öffentlichkeitsarbeit spielte eine große Rolle sowohl beim Aufbau der DHRLab-Community als auch bei der Umsetzung einzelner Projektbestandteile. Blogger aus der gesamten Community beschrieben ihre Arbeit in Blogartikeln, Social Media Kanäle wurden kontinuierlich so gut wie täglich mit Content zu den Aktivitäten bespielt. Social Media Kampagnen und Events begleiteten die Aktivitäten der Community.
Im Juli 2020 sind DHRLab-Organisationen am Programm der RightsCon, dem weltweit führenden Gipfel zum Thema Menschenrechte im digitalen Zeitalter, beteiligt mit der Session “Supporting Human Rights Activists in repressive environments” und mit der Session “Not ‘revenge’ Porn”
Eine Strategiesitzung zum Thema “Open Data For Women and Persons with Disabilities” veranstaltete die Organisation WOUGNET während des IGF (Internet Governance Forum der UN) im November 2020. (Blogpost)
Innovationsprogramm – 1. Runde
Das Innovationsprogramm des DHRLabs ging im Winter 2020 an den Start. Teams, Organisationen und Bewerb*innen waren eingladen, ihre innovativen Ideen zur Stärkung der Menschenrechte einzureichen. Das Innovationsprogramm konzentrierte sich auf die Entwicklung digitaler Lösungen in sechs Aktionsbereichen:
Digitale Eingliederung
Aufbau von Kapazitäten
Sicherheit, Schutz und Privatsphäre
Gesundheitsfürsorge
Wissensaustausch und kollaboratives Lernen
Medien On-/Offline für Interessenvertretung, Information und die Veränderung des Bildes von Frauen und Minderheiten in den Mainstream-Medien wie Radio, Zeitungen und Fernsehen.
Zehn Teams wurden aus einem mehrstufigen Bewerbungs- und Auswahlverfahren aus über 170 Einsendungen in der ersten Runde ausgewählt. Für diese vorausgewählten Teams hieß es während eines dreitägigen Design Sprints im Januar 2021 mitten in der Zeit von der im Zuge der Präsidentschaftswahlen verhängten Internet Shutdowns, die innovativen und digitalen Ideen zu so einer Reife zu bringen, dass sie beim Pitch Event im Februar 2021 von der Expert*innen-Jury ausgewählt werden. Die vier besten Teams erhielten einen Zuschuss in Höhe von insgesamt 60 Millionen Shs und ein 6-monatiges individuelles Mentor-Programm, um ihre Lösungen nachhaltig umzusetzen. Die Gewinner-Teams waren iRoom, Safe Bangles, Kuchu Care, Youth Scroll e-Magazine.
So wie Teile der Community des DHRLabs befanden sich auch die Gewinner- Teams des Innovations-Programmes in der überaus schwierigen Situation, die durch die Präsidentschaftswahlen im Januar 2021 entstand. Zeitweise wurde der digitale Raum in Uganda abgeriegelt und es war nur schwer möglich, mit dem ugandischen Projektpartner und den Organisationen in Kontakt zu sein, geschweige denn Community Building über digitale Zusammenarbeit zu betreiben. Außerdem waren im Zuge der Wahlen die Menschenrechtsaktivist*innen besonders gefordert und gefährdet, da die autokratische Regierung unter dem Deckmantel des Anti-Terrorgesetz verstärkt gegen Nichtregierungsorganisationen vorging. Das bei autokratischen Regierungen beliebte Instrument der “Internet Shut Downs” war in der Community bei Konferenzen, Workshops und in der Öffentlichkeitsarbeit ein großes Thema.
Nach der Pandemie-bedingten Pause konnte das Datafest im April 2021 wieder stattfinden und wurde diesmal als gemeinsames Event von Pollicy und DHRLab ausgetragen. (Video)
Das Team für Öffentlichkeitsarbeit nutzte das Event zur Vorbereitung der Kampagne #BeHeard, an der sich die DHRLab Community ab Juni 2021 beteiligte. Es ging darum, ein Bewusstsein für die Herausforderungen zu schaffen, denen Minderheiten, aber auch Menschenrechtsverteidiger im digitalen Raum ausgesetzt sind.
Innovationsprogramm – 2. Runde
Die im Mai 2021 gestartete zweite Runde des Innovation Programms erstreckte sich über die Design Sprints im Juni 2021 bis zum Pitch Event im Juli 2021, wo die nächsten vier Gewinner-Teams ermittelt wurden: Disability Innovations Uganda, Awesome Mind Speaks, Naguru Youth Health Network, The Debunk Team.
Gemeinsam mit WOUGNET hostete das DHRLab noch einmal eine RightsCon Session im Juni 2021, bei der es um die digitalen Sicherheit von Frauen und Kindern im Internet in Uganda ging.
Mentale Gesundheit wurde im Laufe der drei Jahre immer stärker als wichtiges Thema von den Organisationen wahrgenommen. Mit AHAR (CoP für digitale Integration) wurde eine Organisation Teil der Community, die sich explizit für das Wohlbefinden von Aktivisten einsetzt und psychosoziale Unterstützung für gefährdete Bevölkerungsgruppen durch Peer-Support-Programme anbietet. Im Juli 2021 wurden "Mental Health Circles" ins Leben gerufen – Online-Sitzungen, bei denen Fachleute für psychische Gesundheit die psychische Gesundheit und das allgemeines Wohlbefinden der Aktivist*innen fördern.
Auf der FIFAfrica 2021 im September 2021 war das DHRLab durch die Organisationen WOUGNET, Pollicy, Paradigm Initiative, CIPESA Uganda mit diversen Sessions vertreten.
The next Chapter
Im November 2021 begann für das DHRLab “The next Chapter”, was bedeutete, dass das betterplace lab und Future Challenges als initiierende Organisationen sich aus der aktiven Zusammenarbeit mit den ugandischen Organisationen zurückziehen würden und diese in die Hände der Community vor Ort sukzessive übergab. Mit einem festlichen Event wurde der Übergang in die neue Phase des Projektes eingeläutet. (Bericht)
Für uns brachen also die letzten Monate an. Es galt, Prozesse, die bisher von den drei Partnerorganisationen gemeinsam geleitet wurden an unsere ugandische Partnerorganisation Pollicy und die Community zu übergeben. Die gesamte redaktionelle Arbeit wanderte in die Hände der Engagement Leads. Währenddessen liefen diverse Workshops, Trainings und Linking & Learning Sessions in den Communities of Practices, um die kollaborative Arbeitsweise zu verstetigen. Organisationen des DHRLab beteiligten sich in diesem Zeitraum an Konferenzen bzw. luden selbst ein (z.B. WOUGNET am Internationalen Frauentag).
Schließlich endete unsere Zusammenarbeit Ende März mit einem Event unter dem Motto #DHRLcollaborating4impact. Das Digital Human Rights Lab steht nun auf eigenen Füßen und führt die von uns initiierte Arbeit selbst fort. Wir empfehlen den Besuch der Homepage des Digital Human Rights Labs, um aktuelle Aktivitäten und weiterführende Informationen zu Organisationen, CoPs und Arbeitsgruppen über den Blog und die Eventseiten zu erhalten. Zuguterletzt sind die Aktivitäten des DHRLab auch auf den Social Media Kanälen zu verfolgen (Twitter, Facebook, Instagram) zu verfolgen.
Partner & Finanzierung
Human Rights in the digital Age“ - also "Menschenrechtsschutz im digitalen Zeitalter" ist ein dreijähriges Projekt, das von betterplace lab und Future Challenges im Rahmen eines Zuschussvertrags mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) entwickelt und umgesetzt wurde. Das Programm zur Stärkung von Governance und Zivilgesellschaft in Uganda wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Rahmen seiner Digital-Afrika-Initiative finanziert.
Pollicy ist ein feministisches Kollektiv von Technolog*innen, Datenwissenschaftler*innen, Kreativen und Akademiker*innen, die an der Schnittstelle von Daten, Design und Technologie arbeiten und forschen.
Future Challenges ist eine gemeinnützige Organisation, die sich dafür einsetzt, die Wirkung der Arbeit von Grassroots-Menschenrechtsorganisationen zu verbessern.