Digital Female Futures: Equality in Digitalisation – A train the trainer qualification

In welchem Jahrhundert leben wir, wenn wir patriarchale Strukturen im Digitalen fortführen und damit weiter festigen? Dass es einen Digital Gender Gap gibt, ist nicht neu und wird auf dem gesamten Globus thematisiert. Mit der Studie “Digital Female Futures” konnten wir herausstellen, welche Upskilling Möglichkeiten es in Deutschland für Frauen* – insbesondere Frauen*, die über ein geringes Einkommen verfügen – gibt, um in der digitalisierten Welt anzukommen und mitzumischen. Das FrauenComputerZentrumBerlin (FCZB) e.V. ist eine der Organisationen, die an unserer Untersuchung beteiligt waren.

Sehr spannend finden wir, dass dort über den deutschen Horizont hinausgeblickt wird: Das transnationale Erasmus+ Projekt “Equality in Digitalisation” zur Erarbeitung einer Train-the-trainer-Qualifizierung hatte am 21. Februar seinen offiziellen Projektstart. Wir haben Dr. Karin Reichel, Geschäftsführerin des FCZB, ein paar Fragen dazu gestellt.

Wie kam es dazu, dass ihr begonnen habt, auf europäischem Level über niedrigschwellige Weiterbildungsangebote für digitale Kompetenzen nachzudenken? Was erwartet ihr euch von dieser transnationalen Zusammenarbeit?

Im FCZB gibt es eine lange Tradition der Trainer*innen-Trainings für niedrigschwellige, gender- und diversitysensible IT-Schulungen von Frauen* für Frauen*. Da es auf dem Arbeitsmarkt keine bzw. wenig für unsere Bedarfe geeigneten Trainer*innen gab, hat das FCZB jahrelang selbst ausgebildet. An diese Tradition wollten wir schon seit Jahren anknüpfen, da auch in der aktuellen digitalen Transformation IT-Trainer*innen schwer zu finden sind. Für unsere Projektidee zur Entwicklung eines neuen Train-the-Trainer Programms haben wir lange keine Finanzierungsquelle gefunden, bis wir auf Erasmus+ aufmerksam geworden sind und dadurch größer, d.h. länderübergreifend, gedacht haben. In der aktuellen Förderperiode 2021-2027 sind die Themen "Inklusion und Diversität“ sowie "Digitale Transformation“ zwei der drei Prioritäten. Damit passen wir mit unserem Projekt sehr gut in diese Förderlinie.

Mit unserem Projekt wollen wir dazu beitragen, alte Stereotype und Traditionen aufzubrechen sowie langfristig einen Beitrag zur Minimierung der digitalen Kluft in Europa, zur Förderung der Verbesserung der digitalen Fähigkeiten für alle und zur Bereitstellung von diskriminierungsfreien Schulungen für ausgegrenzte Gruppen leisten.
Dr. Karin Reichel, Geschäftsführerin des FCZB

Wir versprechen uns von der transnationalen Zusammenarbeit einen spannenden und lehrreichen Erfahrungsaustausch auf europäischer Ebene sowie eine Möglichkeit, unseren erfolgreichen Ansatz zum Abbau von Digital Gender Gaps über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu machen.

Eine Kollaboration von vier europäischen Organisationen

Wie seid ihr an das Projekt herangegangen? Welche Akteur*innen sind an Bord und wie habt ihr euch gefunden?

Die Entstehung unseres Projekts ist eine schöne Erasmus+ Erfolgsgeschichte, da wir uns Anfang Dezember 2021 bei einem Kontaktseminar kennengelernt haben, das von der estnischen Nationalen Agentur organisiert wurde. Das Erasmus+-Kontaktseminar mit dem Titel "Enhancing Digital Competences in Education and Training" sollte eigentlich Anfang Dezember 2021 in Tallin stattfinden. Es wurde aber wegen der Corona-Pandemie virtuell via Zoom durchgeführt, was von Vorteil war, denn ansonsten hätte ich gar nicht dabei sein können. Ich hatte kurz zuvor im Newsletter der Nationalen Agentur davon gelesen und mich spontan angemeldet, da wir schon lange diese Projektidee hatten, die ich einbringen wollte.

Es war mein erstes Kontaktseminar und ich hatte ehrlich gesagt nicht allzu große Erwartungen. Aber dann habe ich in meiner Arbeitsgruppe zu meiner Projektidee drei sehr nette Frauen kennengelernt, mit denen ich in nur einem Tag einen groben Projektplan ausarbeiten konnte. Das waren Taina aus Finnland von Pirkanmaan muotoilu- ja taideteollisuusyhdistys Modus ry, einem Design- und Kunsthandwerker*innen-Netzwerk, Sanda aus Rumänien von Media Partners SRL, einem Bildungs- und Beratungsunternehmen und Mai aus Estland von Tartu Oskar Lutsu nimeline Linnaraamatukogu, der Stadtbibliothek von Tartu. Weil wir uns gut verstanden und gut zusammenarbeiten konnten, haben wir uns auch nach dem Seminar regelmäßig per Videokonferenz getroffen, um weiter an einem Projektantrag zu arbeiten.

Wir haben es tatsächlich geschafft, im März 2022 einen Antrag einzureichen und dann auch eine Förderzusage zu erhalten. Live und persönlich getroffen haben wir uns erst im Dezember 2022 beim ersten Projekttreffen in Berlin. Ich freue mich sehr, dass wir mit diesen interessanten und kompetenten Partnerinnen zusammenarbeiten können.

Wie unterscheidet sich die Ausgangslage in den Ländern, die an dem Projekt beteiligt sind?

Der Digitalisierungsgrad der Frauen in der Gesellschaft ist in allen vier Ländern sehr unterschiedlich. Während vor allem Finnland (Platz 1 im Women in Digital Scoreboard 2021), aber auch Estland (Platz 4) bereits einen sehr hohen Grad der Digitalisierung haben, ist dieser in Deutschland (Platz 11) und Rumänien (Platz 28) noch deutlich niedriger.

Es gibt allerdings in allen Ländern Digital Gender Gaps – diese sind desto größer, je älter die Frauen sind und je niedriger ihr Einkommen sowie ihr Bildungsstand sind.
Dr. Karin Reichel, Geschäftsführerin des FCZB

Bereits im Rahmen des Kontaktseminars haben wir uns darüber ausgetauscht, dass es in allen vier Ländern an IT-Trainer*innen mangelt, um niedrigschwellige, gender- und diversitysensible Angebote machen zu können, die benötigt werden, um diese und andere Digital Gaps zu schließen.

Next Steps nach dem Projektstart

Am 21.2. fand die Kick-Off-Veranstaltung zu dem Projekt statt. Wie war die Resonanz? Was sind die nächsten Schritte?

An der transnationalen Online-Kick-Off-Veranstaltung nahmen fast 50 Personen aus Wissenschaft, Bildung, Zivilgesellschaft, Verwaltung und anderen verwandten Arbeitsfeldern teil. Sowohl die Informationen zum Förderprogramm Erasmus+ und zum Projekt EQUALDIGITAL als auch die instruktive Keynote von Dr. Sarah Widany zum Thema „Professionalisierung von Trainerinnen und Trainern in der Erwachsenenbildung – ein Schlüsselfaktor auf dem Weg zur Gleichstellung in der Digitalisierung“, stießen auf reges Interesse.

Sarah, Mitglied im Projektbeirat und eine der Autorinnen der Expertise für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung "Gleichstellung durch Weiterbildung in einer digitalisierten Gesellschaft" (Rüber/Widany 2021) warf eine Reihe von anregenden Fragen zum Nachdenken und Diskutieren auf. Es entspann sich eine lebhafte Diskussion mit allen Teilnehmer*innen über die geplanten Arbeitsschritte, Ergebnisse, mögliche Kooperationen sowie Unterstützungs- und Vernetzungsmöglichkeiten.

Wir werden jetzt damit beginnen, das Curriculum und die notwendigen Lernmaterialien für unsere skalierbare IT-Trainer*innen-Qualifizierung zu entwickeln, mit der Kompetenzen für gender- und diversitygerechte IT-Trainings erworben werden können.

Die Arbeitsergebnisse (Trainingskonzepte, Online-Lernmaterialien, Trainingshandbuch, Open Badges…) sollen ab September in allen vier Ländern erprobt und evaluiert werden.
Dr. Karin Reichel, Geschäftsführerin des FCZB

Mit unserer modular aufgebauten Qualifizierung adressieren wir sowohl erfahrene IT-Trainer*innen als auch Quereinsteiger*innen in diesem Arbeitsfeld.

Kann man euch bei eurer wichtigen Arbeit unterstützen?

Wir bedanken uns ganz herzlich, dass ihr uns als Supporter*innen auf unserer Website (https://equaldigital.info/) unterstützt und freuen uns auf weitere Unterstützer*innen. Folgt uns gerne auf Facebook @Equaldigital und Instagram @equal_digital. Wer Interesse an einer Teilnahme an unserer Train-the-Trainer*innen-Qualifizierung hat oder an einer anderweitigen Kooperation mit uns, kann uns jederzeit kontaktieren: wuerz@fczb.de oder reichel@fczb.de

Das Interview fand im Nachgang zu unserem Projekt "Digital Female Futures" statt. Das Projekt "Digital Female Futures" wurde gefördert von J.P. Morgan. Das Unternehmen setzt sich weltweit in 37 Ländern im Rahmen eigener Programme und in Zusammenarbeit mit Organisationen für mehr wirtschaftliche Teilhabe und Chancengerechtigkeit ein.

Foto: Abigel Varuhin

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Die erste Folge in der Resilienz-Reihe