Die Klimakatastrophe muss verhindert werden, ist doch klar. Du denkst so? Leider tun das längst nicht alle. Es gibt sogar einen regelrechten Aktivismus gegen den Klimaschutz. Dazu gehört auch das Verbreiten von Desinformation.
Desinformation und Klimaschutz
Die Bandbreite von Desinformation im Zusammenhang mit der Klimakrise ist groß. Sie reicht vom Anzweifeln dessen, was wissenschaftlicher Konsens ist über die Verbreitung falscher Informationen über Klimaaktivist*innen und der Kriminalisierung ihres Engagements bis zur gezielten Verbreitung von Weltuntergangsstimmung, um junge Menschen im besten Falle in Untätigkeit erstarren zu lassen oder sogar auf eine Beschleunigung der Klimakatastrophe hinzuarbeiten. Dass Superreiche, Konzerne und Industrieländer die Klimakrise anheizen, während vor allem die Menschen in wirtschaftlich benachteiligten Ländern unter den Folgen leiden müssen (OXFAM), wird von zu Wenigen angeprangert oder gar unter den Tisch gekehrt. Das ist keine Desinformation. Allerdings liest sich die Geschichte anders, wenn man vorher ansetzt und neoliberale Erzählungen mit ins Visier nimmt. Im Folgenden wollen wir ein paar Narrative beleuchten.
1. Fehlinformationen zum Klimawandel und Skeptizismus gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen
Der Teil derer, die den Einfluß des Menschen auf die klimatischen Veränderungen anzweifeln, ist kleiner geworden. Konsensstudien belegen, dass fast alle Klimaforscher*innen die Idee vom menschengemachten Klimawandel unterstützen. Dennoch gibt es immer noch Klimawandelskeptiker*innen, von denen die einen daran zweifeln, dass der Mensch den Klimawandel verursacht und die anderen schwerwiegende Folgen der Erderwärmung in Frage stellen, sowie Klimawandelleugner*innen und deren “vorsätzliche und täuschende Falschdarstellung der wissenschaftlichen Realitäten des Klimawandels” (Catriona McKinnon) haben daran ihren Anteil. Außerdem wird systematisch versucht, Wissenschaftler*innen zu diskreditieren (Studie Ad hominem).
Veränderungen, die mit Einschränkungen zu tun haben, kommen bei uns Menschen nicht so gut an. So sind auch Maßnahmen zum Klimaschutz nicht in allen Teilen der Bevölkerung beliebt. Den Unmut darüber machen sich jene zunutze, die am liebsten jegliche Maßnahmen stoppen würden. Schlagzeilen machte der Öl-Konzern Exxon Mobil, der selbst seit den 70er Jahren umfangreiche Forschungen angestellt hat, die ergeben haben, “dass die Industrie für fossile Brennstoffe seit Jahrzehnten weiß, dass ihre Produkte eine gefährliche globale Erwärmung verursachen können” (Supran, Rahmstorf, Oreskes, science.org). Das Management hat die Ergebnisse nicht nur verschwiegen, sondern den Klimawandel nach außen jahrzehntelang in Frage gestellt.
Im “Climate Change 2023 Synthesis Report” des IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change wird konstatiert: In einigen Fällen haben öffentliche Diskurse in den Medien und organisierte Gegenbewegungen den Klimaschutz behindert, indem sie die Hilflosigkeit und Desinformation verschärft und die Polarisierung angeheizt haben, was sich negativ auf den Klimaschutz auswirkt.
2. Kriminalisierung von Klimaaktivismus
Vor einigen Jahren regten sich Leute über die “Schulschwänzer” auf, weil Schüler*innen Freitag für Freitag der Aktion von Greta Thunberg folgten und den Unterricht bestreikten. Die Bewegung Fridays for Future (FFF) schaffte es recht schnell, eine große Masse junger Menschen zu mobilisieren. Neben der Zustimmung von Schüler*innen und Unterstützer*innen – es gibt inzwischen For-Future-Initiativen in vielen verschiedenen Berufsgruppen – schlagen den friedlich agierenden Aktivist*innen bis heute auch Hass und Bedrohungen entgegen. An den Kampagnen gegen die bekannten Vertreter*innen der Bewegung läßt sich ablesen, dass das beharrliche Engagement der FFF-Aktivist*innen Wirkung zeigt, wenn auch die Forderungen längst nicht erfüllt werden.
Manch eine*r wird angesichts gesellschaftlicher und politischer Ignoranz unruhig. Organisationen wie Extinction Rebellion und Letzte Generation treten auf den Plan und sorgen mit radikaleren Aktionen für Aufmerksamkeit. Auf ihre Straßenblockaden reagieren am Vorwärtskommen gehinderte Bürger*innen wütend. Die Medien stacheln die aufgeheizte Stimmung an. Politiker*innen bezeichnen die Aktivist*innen als “Klimaterroristen”. Razzien finden statt und Rufe werden laut, die Letzte Generation zu einer kriminellen Vereinigung zu erklären. Sehr unterschiedlich fällt das Urteil in der Gesellschaft darüber aus, ob man das Aufrütteln und Ausüben von Druck auf Regierungen, damit sie alles für unsere Zukunft auf diesem Planeten tun, zu kriminellem Handeln erklären kann. Im Anbetracht stark sinkender Zustimmung gegenüber Klimaaktivist*innen, ist es allerdings angebracht über die Wirkung dieser Art des Protests zu diskutieren (Studie More in Common).
3. Rechte Verschwörungsmythen
Rechtsextreme nutzen und schüren die Ressentiments gegen Akteur*innen, die sich für Klimaschutz einsetzen. Einzelne Aktivist*innen und Politiker*innen erleben immer wieder Anfeindungen, Drohungen und digitale Gewalt. Auf Social Media Kanälen wie Telegram mobilisieren Rechtsextreme gegen Klima- und Umweltschutz und verbreiten Verschwörungsmythen, bei denen angeblich eine globale Finanzelite eine neue Weltwirtschaftsordnung und den großen Austausch plane. Beliebt ist auch die Geschichte von HAARP, einer Forschungsanlage in Alaska, über die die US-amerikanische Regierung angeblich das Klima beeinflusst – eine moderne Art der geophysikalischen Kriegsführung also.
4. Nach uns die Sintflut – Doomism
Regierungen handeln konträr zu dem, was Wissenschaftler*innen vorschlagen. Teile der Industrie versuchen alles, um eigene Interessen durchzusetzen, ohne Rücksicht auf kommende Generationen. Verbraucher*innen sind weit von Einsicht und Umkehr entfernt, die sich im Handeln niederschlägt. Der Versuch, den Menschen zur Besinnung zu bringen, kann durchaus aussichtslos erscheinen. Also kann man auch gleich den Kopf in den Sand stecken – so die Schlußfolgerung einiger, die sich machtlos fühlen und den Weltuntergang fürchten. Auf dem Planeten zu leben, wird wohl in Zukunft anstrengend sein für uns, jedoch ist unsere Spezies nicht dem Untergang geweiht, sagen Wissenschaftler*innen wie Zeke Hausfather und möchten Szenarien entgegentreten, wie sie z.B. der Schriftsteller Jonathan Franzen in seinem Essay „Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen? Gestehen wir uns ein, dass wir die Klimakatastrophe nicht verhindern können“ beschreibt. Es gibt aber eine ganze Menge von Leuten, die aus verschiedenen Gründen an dieser Vorstellung festhalten. Das kann sogar dazu führen, dass die Forderungen nach Klimaschutz als kontraproduktiv wahrgenommen werden.
5. Neoliberale Märchen – Greenwashing, grünes Wachstum, etc.
Mit Geld kann man alles erreichen. Auch der Klimawandel lässt sich damit stoppen. Wir müssen einfach nur ein bisschen kompensieren, dann ist der ökologische Fußabdruck fast nicht mehr zu sehen. Schön wär’s! Leider gehen solche Rechnungen nicht auf.
Bei dem ein oder anderen Online-Dienst kann man bei der Planung einer Kreuzfahrt ausrechnen, wie groß der CO2-Fußabdruck der Reise sein wird. Anbei wird einem geraten, ein Projekt im globalen Süden zu unterstützen und ihn damit abzuschwächen: So unterstützt man Frauen in Kenia, indem man klimafreundliche Kocher spendiert und wird damit direkt zur Klimaschützer*in. Nutzer*innen heben hervor, dass sie durch die Kompensation dafür sensibilisiert werden, wobei CO2 produziert wird. Insofern ist Kompensation vielleicht besser als keine Kompensation. Doch erst gar nicht das Klima in dieser Dimension zu belasten, wäre noch besser.
Aber wir machen uns eben gern etwas vor in den reichen Industrieländern, wenn es darum geht, unser Leben weiterhin komfortabel gestalten zu wollen. Nehmen wir nur die ach so schöne Aussicht auf ein Leben mit Verkehrsmitteln, die ohne fossile Brennstoffe auskommen. Dass für das dafür notwendige Lithium in Argentinien, Chile und Bolivien die Natur zerstört und der indigenen Bevölkerung abermals ihr Lebensraum genommen wird, kann nicht hingenommen werden. Der Markt regelt hier nicht zugunsten aller Menschen. Dass der weltweite Bedarf an Automobilen durch saubere Elektro-Energie gedeckt werden kann, ist nur eine von vielen neoliberalen Milchmädchenrechnungen. Regierungen müssen tätig werden, damit auf ökologische Produktion und wirklich nachhaltige Energiegewinnung umgestiegen wird, zu sozial fairen Bedingungen.
Aufgeben ist nicht!
Mit den beschriebenen Desinformationsstrategien sehen sich Menschen konfrontiert, die sich voller Enthusiasmus um den Klimaschutz bemühen. Es ist hochgradig frustrierend, sich für das Überleben unserer Spezies einzusetzen und statt Unterstützung zu erhalten, mit so einem Gegenwind kämpfen zu müssen. Da wir jede*n Einzelne*n brauchen, um für eine gesunde Erde einzustehen, auf der wir alle existieren können, müssen wir uns genau anschauen, welche Strategien wie Wirkung zeigen. Auch die Sorgen der Menschen, sich Klimaschutz nicht leisten zu können, müssen ernst genommen werden. Engagierte brauchen eine echte Perspektive. Es liegt auf der Hand, dass es nur mit ganzheitlichen Konzepten möglich ist, die Herausforderung der Klimakrise zu bewältigen.
In unseren mehrtägigen Workshops mit Engagierten gehen wir mit einem holistischen Ansatz an die Sache heran. Du fühlst dich davon angesprochen? Hier findest du weitere Informationen und kannst dich zu dem dreitägigen Workshop am 9./10./11. Oktober anmelden.
Quellen:
https://www.oxfam.de/rallye-klimakiller
https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/14693062.2023.2245792
https://www.science.org/doi/10.1126/science.abk0063
Climate Change 2023 Synthesis Report
https://www.moreincommon.de/kl...
https://www.deutschlandfunkkultur.de/gefaehrliche-klimamythen-100.html
https://unearthed.greenpeace.org/2019/05/14/germany-climate-denial-populist-eike-afd/
https://religion.orf.at/stories/3217772/
https://hateaid.org/rechtsextremismus-und-klima/
https://taz.de/Klimaforscher-ueber-Doomism/!5902230/
https://www.bbc.com/news/blogs-trending-61495035
https://www.popsci.com/climate-change-new-yorker-franzen-corrections/
https://www.inkota.de/news/unsere-freiheit-unser-lebensstil
https://www.deutschlandfunk.de/klimaschutz-wider-das-neoliberale-maerchen-vom-gruenen-100.html
Foto: Katie Rodriguez | Unsplash
Wenn du Fragen hast, kannst du dich an Katja wenden: katja.jaeger@betterplace-lab.org
Das Projekt Systemischer Umgang mit Desinformation" ist gefördert vom BMFSFJ im Rahmen von Demokratie Leben!