Der Umgang mit (Des-)Information fängt in mir selbst an

“Jetzt nach dem Workshop glaube ich, dass Desinformation in meinem beruflichen Alltag eine größere Rolle spielt, als ich gedacht habe, insbesondere das unbewusste Verbreiten. Vor allem im Zuge des Krieges in der Ukraine oder auch in Gaza kann man gar nicht so wirklich wissen, was eigentlich stimmt. Man ist sehr weit von der Quelle entfernt und es gibt wenig Journalismus, dem man vertrauen kann. Es ist super schwer zu wissen, was der eigentliche Ursprung einer Information ist. Diese Unsicherheit über den Wahrheitsgehalt von Informationen führt letztendlich zu mehr Polarisierung. Und das merken wir dann auch in unserer Arbeit.”

Die Teilnehmenden des Workshops, die Mitte April im betterplace lab-Büro zusammenfanden, kamen aus ganz unterschiedlichen Bereichen – von der Obdachlosenhilfe bis zur Bibliotheksverwaltung. Zwei Tage hatten sie sich freigeschaufelt, um an dem kostenlosen Workshop teilzunehmen und sich mit Desinformation in ihrem beruflichen Wirkungsfeld zu beschäftigen.

Wenngleich die Teilnehmenden aus sehr unterschiedlichen Bereichen kamen, beschreibt eine Teilnehmerin die Gruppe als eher homogen: “Ich habe das Gefühl, wir haben alle ähnliche Werte, die für uns wichtig sind und dass wir alle so ein bisschen mit dem gleichen Wunsch oder Bedürfnis hierher gekommen sind. Alle haben die Problematik erkannt. Alle kommen aus dem sozialen Bereich und wollen das Phänomen Desinformation entweder für sich oder für die Arbeit oder beides besser verstehen und wissen, was wir dagegen tun können.”

Auch wenn die befragte Teilnehmerin sich wünscht, das Thema über ihre Bubble-Grenzen hinaus zu bearbeiten, so ist es zumindest für den Workshop von Vorteil, wenn die Teilnehmenden sich in den Werten einig sind. Immerhin treten auch die eigenen Blockaden zu Tage, wir sprechen über Triggerpunkte und Bedürfnisse. Das ist einfacher in einem Raum, der sich möglichst sicher anfühlt. Die Befragte findet es gut, dass alle bereit sind, das eigene Verhalten zu reflektieren: “Wir haben dieses Eisberg-Modell angeschaut und alle waren willig zu teilen, was die eigenen Bedürfnisse sind.” Sie ist beeindruckt davon, dass die Gruppe von Menschen, die sich an diesen zwei Tagen zum ersten Mal gesehen haben, auf so eine tiefe Ebene kam. Sie überzeugt der Inner-Work-Ansatz, weil der Umgang mit (Des-)informationen “ja wirklich in uns als Person anfängt. Und dass alle auch dazu bereit sind, da mit einer Gruppe fremder Menschen daran zu arbeiten. Ich finde das sehr schön.”

Ein echter Aha-Moment des Workshops war für die Teilnehmerin, sich bewusst zu werden, “wie wichtig es ist, dass ich mich selbst reflektiere. Bei einer Information, die super in mein Bild passt, muss ich mich fragen: Aha, okay, aber stimmt das jetzt wirklich? Oder will ich das jetzt nur glauben und halte es deshalb gern für wahr? Das gleiche gilt, wenn ich von einer Aussage getriggert bin, die ich als falsch empfinde. Dann erstmal innezuhalten und zu überlegen: OK, warum fühle ich mich jetzt getriggert und woher kommt das? Es ist sinnvoll, da mehr meine eigenen Bedürfnisse und Werte in den Blick zu nehmen. Ich nehme mit, dass es oft nicht um Informationen geht, sondern eigentlich um Emotionen.“

Wir merken immer mehr (und das bestätigt die Forschung), dass Desinformation nicht allein ein Problem einer unzureichenden Faktenlage ist. Die Fakten sind oftmals in der Welt und könnten Dinge korrigieren – doch bei vielen Menschen kommen diese Informationen nicht (mehr) an. Stattdessen müssen wir davon ausgehen, dass Desinformation auch eine psychologische Funktion bei Menschen erfüllt – und sie deshalb vielfach verfängt.

Wenn es bei Desinformation also häufig mehr um Emotionen als um Informationen geht, eröffnet uns diese Erkenntnis auch einen Weg, um ihr wirkungsvoll zu begegnen. Nämlich von Mensch zu Mensch, in Beziehung und auf Basis von Empathie. Wenn es gelingt nachzuempfinden, warum das Gegenüber bestimmte Dinge glaubt oder verbreitet, kann man auf dieser Ebene ins Gespräch kommen. Wenn man die dahinter liegenden Emotionen und Bedürfnisse versteht, kann man viel eher in einen konstruktiven Dialog treten, als wenn man sich mit weiteren Argumenten auf der Sachebene (auf die die Person vermutlich nicht eingehen würde) noch mehr von ihr (ab)trennt.

Du bist interessiert, an unserem Programm teilzunehmen? In dieser Übersicht findest du weitere Informationen zu allen Workshops, die innerhalb des Projektes angeboten werden. Du kannst dich aber mit deinen Fragen auch gern an den Projektleiter Yannick wenden: yannick.lebert@betterplace-lab.org

Das Projekt "Systemischer Umgang mit Desinformation" wird vom BMFSFJ im Rahmen von Demokratie Leben! gefördert.

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Die erste Folge in der Resilienz-Reihe