Coaching vor Kunst

Eine Traube von Menschen steht auffällig lange vor Giorgio de Chiricos “The Great Metaphysician” in der Neuen Nationalgalerie. Die jungen Leute sind intensiv ins Gespräch vertieft. Sowas kommt vor in Kunstausstellungen. Aber hier geht es nicht allein um die Eindrücke, die die Betrachter*innen miteinander teilen. Diese Art der Kunstbetrachtung ist eine Methode, um Teams zu coachen. Die Kombination von gezielten Eingriffen in Organisations-Teams mit Elementen der Kunst, sogenannte kunstbasierte Interventionen, sind ein Trend des 21. Jahrhunderts. Das Coaching vor Kunst kann als ein solches Instrument zur Teamentwicklung angesehen werden.

Im Rahmen einer Abschlussarbeit führt der Künstler und systemische Coach Jörg Reckhenrich in Zusammenarbeit mit dem Studenten Emmanuel Klauk das Coaching mit den Teams des betterplace lab und des NETTZ durch, um den Nutzen für die Teamkohäsion herauszustellen. Beide Teams durchlaufen das dreistündige Workshop-Format.

Am 19. Mai 2022 finden sich neun Coachees in der Neuen Nationalgalerie ein und sprechen anhand selbst gewählter Gemälde über die Zusammenarbeit in ihren Teams. Über die drei Phasen Beobachtung, Emotion und Bedeutung werden Ist- und Sollzustand diskutiert.

Wie die Kunst wirkt

Die Beobachtung des Coachings zeigt, dass die Gemälde als Gesprächspartner dienen und die Selbstöffnung der Teilnehmenden fördern.

Ich fand es spannend, dass die Kunst nicht nur zu einem spricht, sondern mit einem. Das Bild war wie ein Moderator, entlang dessen Dinge angesprochen werden konnten, die wir nicht im luftleeren Raum zueinander sagen würden.

Die Galerie schafft eine arbeitsferne und inspirationfördernde Umgebung. Das Coaching Format provoziert Aha-Momente. Interviews, die nach dem Coaching vor Kunst durchgeführt wurden, zeigen, dass die Coachees sich über das Medium der Kunst besser kennenlernen. Teilnehmende öffnen sich und geben persönliche Informationen preis.

Das ist für mich der größte Mehrwert davon, dass es das Verständnis auf einer sozialen Ebene ausgebaut hat. Wir haben uns bereits vorher gut verstanden. Das ist nach dem Workshop noch mal auf einer intimeren Ebene.

Ausgemachte externe Bedrohungen lassen die Gruppen näher zusammenrücken. Durch die intensive Besprechung der Zusammenarbeit über die Gemälde werden Klarheit über Rollen, Ziele und die Teams an sich geschaffen.

Durch die verschiedene Linienführung haben wir unsere Struktur, wie wir miteinander verbunden sind, feststellen können.

Gemeinsam entstandene Emotionen können über das Coaching hinaus mit in die Teams genommen werden und das Einheitsgefühl innerhalb der teilnehmenden Gruppen wird gestärkt.

Sich auf ein experimentelles Format einlassen, im Gegensatz zu einer normalen Gesprächsrunde, finde ich schon, hat das Wir-Gefühl in meiner Gruppe gestärkt.

All dies sind Indikatoren für die Kohäsion von Gruppen. Organisationen bekommen durch die Fallstudie einen empirischen Beleg für den Nutzen einer kunstbasierten Intervention für die Teamentwicklung.

Weitere Informationen zum Angebot Coaching vor Kunst von Jörg Reckhenrich gibt es auf dieser Homepage.

Unser Podcast

Die erste Folge in der Resilienz-Reihe