Vor einer Woche wurde sie präsentiert: die deutsche Strategie für eine feministische Entwicklungspolitik. Mit dem nun auch konkret gefassten Politikansatz will sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) weltweit für starke und gerechte Gesellschaften einsetzen. Ziel ist es, die Wurzeln von Ungerechtigkeit zu adressieren sowie strukturelle und systemische Ursachen für fehlende Gleichstellung zu überwinden.
Die digitale Transformation spielt hier eine bedeutende Rolle: So ist in der Strategie festgehalten, dass das BMZ sich unter anderem für eine geschlechtergerechte digitale Transformation, die Schließung der digitalen Geschlechterkluft (Gender Digital Divide) und für einen für alle zugänglichen, sicheren und inklusiven digitalen Raum einsetzt. Digitalisierung und Geschlechtergerechtigkeit müssen im Rahmen einer feministischen Entwicklungspolitik folglich stärker zusammengedacht werden. Nun stellt sich konkret die Frage, wie genau und was dabei zu beachten ist.
Fakt ist: Eine digitale feministische Entwicklungspolitik startet in einem ungerechten Status quo und blickt in eine ungewisse digitale Zukunft. Das Partizipations- und Gleichstellungsversprechen, das die Digitalisierung seit ihren Anfängen begleitet, hat sich bisher nicht erfüllt und ist längst entzaubert. Stattdessen bleibt die Entwicklung und Anwendung von digitalen Technologien in einer ungerechten Realität verortet. So nutzen zwar weltweit 63 % der Frauen das Internet, gegenüber 69 % der Männer. Schaut man in den Globalen Süden fällt diese Zahl aber weniger hoch aus: Auf dem afrikanischen Kontinent sind nur 34 % aller Frauen online. Haben Frauen und Mädchen Zugang zum Internet, sind sie häufiger als Männer geschlechtsbasierter digitaler Gewalt ausgesetzt. Die Technologieentwicklung ist weiterhin “a men’s world”: Weltweit machen Frauen nur 29 % der MINT-Beschäftigten aus und haben seltener als Männer eine Ausbildung in technikbezogenen Bereichen. Machtungleichheiten, Diskriminierung und partriarchale Strukturen sind online wie offline weiterhin wirkmächtig. Digitale Technologien können zudem auch Driver negativer Entwicklungen sein, indem sie patriarchale Geschlechterverhältnisse und unterdrückende Strukturen verschärfen und reproduzieren. Gleichzeitig birgt die digitale Transformation aber auch enorme Chancen für mehr gesellschaftliche Teilhabe von Frauen und marginalisierten Gruppen sowie eine wirkliche Transformation von gesellschaftlichen Verhältnissen. Tagtäglich überwinden Frauen und Mädchen mithilfe von digitalen Technologien wirtschaftliche, politische und soziale Mobilitäts- und Partzipationsbarrieren und nehmen ihre Lebens- und Zukunftsgestaltung selbst in die Hand.
Eine Trendstudie für eine feministische Entwicklungszusammenarbeit
Eine digitale feministische Entwicklungspolitik bewegt sich in einem ambivalenten und sich konstant verändernden Feld. In unserem neuen Projekt “Feministische Digitalpolitik – Ein Trendradar für eine feministische Entwicklungszusammenarbeit” erforschen wir im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), finanziert durch das BMZ, wie Digitalisierung und Geschlechtergerechtigkeit im Kontext der feministischen Entwicklungspolitik sinnvoll zusammengedacht und aktiv gestaltet werden können. Dafür braucht es Orientierung, Praxiswissen und Kollaboration. Neben der Erstellung einer Publikation zum Thema planen wir begleitende Interviews und Gesprächsformate, insbesondere mit zivilgesellschaftlichen Akteur*innen aus dem Globalen Süden. So möchten wir auf einem Round Table im Juni mit Vertreter*innen der digitalen feministischen Zivilgesellschaften ins Gespräch kommen und Handlungsempfehlungen für die deutsche Entwicklungspolitik erarbeiten. Die Publikation wird in deutscher und englischer Sprache erscheinen.
Foto: Desola Lanre-Ologun | Unsplash